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Der Brockenwicht: Seite 78
»Sollen wir hier noch einen Kaffee trinken?«, fragte ich Angelina, nachdem ich mich ihr angeschlossen hatte. Einem Aushang war zu entnehmen, dass sich im Obergeschoss eine Cafeteria befand und außerdem wollte ich partout nicht nach draußen. Die Kleidung war noch nass und hinter der Glasfassade glitten die Wolken noch tief über dem Berg, es war sehr windig. Ein Pott heißen Kaffees würde uns etwas aufheitern. »Ich frage mich auch schon die ganze Zeit«, vernahm ich unverhofft statt Gelis Antwort die Stimme des Cowboys dicht hinter meinem Rücken, »wie ich auf die andere Seite dieser Schranke gelange, um ins Café zu kommen!« Ich drehte mich um. Der Herr im Regenmantel stand direkt hinter uns und hatte uns offenbar belauscht. »Da müssen Sie zuerst an mir vorbei«, bemerkte die Kassiererin trocken. »Übrigens, junger Mann, hier gilt die Maskenpflicht!« »Jaja«, brummte der Mann unzufrieden und setzte die Maske auf. »Also … Wenn ich nur einen Kaffee trinken möchte, muss ich auch den Eintritt für die Ausstellung bezahlen?« »Mmh«, bestätigte die Frau hinter dem Tresen. »Die Cafeteria gehört zum Museum. Wenn Sie die Ausstellung besuchen, können Sie dort auch einen Kaffee trinken. Ich kann es nicht ändern.« Er sah mich an und fragte, als würde er in mir einen Verbündeten suchen: »Ist das hier nicht 'ne Abzocke? Das sind aber Sitten!« Ich zeigte kein Interesse an einem Gespräch und fragte meine Frau erneut: »Wie wäre es denn mit dem Kaffee?« »Ja«, antwortete sie, ohne lange zu überlegen. »Und ich habe Hunger! Wir haben unten nichts gegessen und jetzt ist es schon ein Uhr. Ich bin müde und verhungere! Bezahle, ich hole schon mal unsere Jacken.«
(?)
Die Uhr an der Wand zeigte in der Tat zehn Minuten nach eins an. Demnach lagen wir eigentlich ganz gut in unserem Zeitplan. Damit hatte ich nicht gerechnet nach all den Strapazen und Abenteuern, die ich beim Aufstieg erlebt hatte. Irgendwie hatte ich jegliches Zeitgefühl verloren und auch kein Bedürfnis verspürt, nach der Zeit zu sehen, seitdem wir den Hirtenstieg betreten hatten. Meine Wanderung durch Mephistos Schattenreich kam mir vor wie eine Ewigkeit, aber in Wirklichkeit waren nicht einmal zwei Stunden vergangen. Wie verhielt sich das miteinander? Hatte das, an was ich mich zu erinnern glaubte, auch tatsächlich stattgefunden oder hatte sich alles ganz anders abgespielt und ich hatte nur nichts davon mitbekommen? Denn ein paar indirekte Hinweise darauf gab es schon. Ich fand keine Antwort und ließ es einfach sein. »Wie viel kostet denn der Eintritt?«, erkundigte ich mich bei der Frau an der Kasse, während Angelina unsere Sachen von der Heizung holte. »Erwachsene – sieben Euro, Rentner – sechs Euro, Kinder – …« »Okay, okay«, unterbrach ich sie, denn sie hatte offenbar vor, mir die komplette Preisliste vorzulesen. »Dann bezahle ich jetzt für zwei Erwachsene.« »Vierzehn Euro bitte. Sie können auch ein Schließfach nehmen, dann kommen noch zehn Euro Schlüsselpfand hinzu.« Ich drückte ihr vierundzwanzig Euro in die Hand und bekam die Tickets nebst dem Schlüssel zum Schließfach – es war allemal besser, die nassen Jacken und Rucksäcke irgendwo unterzustellen, als sie mit sich herumzuschleppen. Geli kehrte mit unseren Sachen zurück und wir gingen zu der Tür, die zur Ausstellung führte. Noch zum letzten Mal drehte ich mich im Türrahmen um. »Wo finden wir denn die Schließfächer?«, fragte ich die Kassiererin und sah dabei zufällig, dass der Lederhut schon wieder jemanden in der Ecke unter der Treppe in ein Gespräch verwickelt hatte. Was machte dieser Mann eigentlich hier …? Es gab Erbsensuppe. Sie stand in der Speisekarte, die großformatig an der Wand des Cafés hing, an zweiter Stelle, sodass meine vom Hunger geplagte Frau sie nicht sofort entdeckt hatte. Etwas anderes zog zunächst ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Kartoffelsuppe!« Sie gluckste in freudiger Genusserwartung. »Mit Bockwurst.«
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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