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Der Brockenwicht: Seite 62

Die Fackeln waren nunmehr einsatzbereit. Wir verabschiedeten uns. Sanja führte die kleine Expedition an, ihm folgte der Griesgrämige und die Dresdner schlossen die Kolonne ab. Markus humpelte leicht, hielt aber seinen brennenden Stock fest in der Hand und leuchtete auf den Betonwabenweg, um nicht zufällig mit dem behinderten Bein in einer Wabenzelle hängen zu bleiben.

»Bleibt auf den Betonplatten!«, rief ich ihnen noch hinterher und bemerkte im selben Augenblick eine seltsame Erscheinung.

Die Nebelbank, die vorhin den Rastplatz eingehüllt hatte, bewegte sich zusammen mit dem Fackelzug. Bald sah ich nur noch vier Silhouetten mitten in einem Nebelkokon, der von innen durch die Flammen der Fackeln beleuchtet war und sich im Schritttempo von mir entfernte. Es war aber nicht alles, was ich sah. Die aufwallenden Schwaden über den Köpfen der vier Wanderer nahmen konkrete Formen an. Die Formen von tanzenden Hexen! Sie belustigten sich damit, dass sie abwechselnd kopfüber in die Nebelwolke eintauchten und ihre Hexenspielchen mit den Wanderern trieben. Sie ritten huckepack auf ihren Rücken, ohrfeigten sie mit ihren substanzlosen Gliedmaßen und schossen dann wieder nach oben, um dem Rest der Hexenschar über ihr närrisches Treiben zu berichten. Es war kein Laut zu hören, alles lief ab wie in einem Stummfilm ohne Klavierbegleitung. Nur die gedämpfte Stimme des Griesgrämigen, die ich als Letztes aus ihrer Richtung vernahm, kommentierte kurz das Geschehen.

»Jetzt hat mich wieder irgendwas im Gesicht berührt«, sagte er.

Was passieren würde, wenn bei dem Wandertrupp gleich die Fackeln ausgingen, wollte ich mir nicht im Detail ausmalen. Nichts Gutes. Zerbolte waren nicht ihr größtes Problem, dachte ich besorgt. Gleichwohl sagte mir aber der rationale Teil meines Verstandes, dass alles nicht so schlimm war, wie es auf den ersten Blick aussah! Diese vier Figuren aus der Lagerfeuerrunde konnten einfach nicht real sein, ihnen konnte in Wirklichkeit nicht das Geringste passieren. Genau das hat mir ja auch mein Brockenwicht gesagt: Nichts war, wie es zu sein schien, und keiner war derjenige, den ich zu sehen glaubte. Sie mussten alle ein Hirngespinst sein. Doch auf welche Art und Weise die ehemaligen Bekannten von mir mit dem Blocksberg und der Fausttragödie in meinem Kopf zusammengehörten, vermochte ich nicht zu sagen.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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Der Nebel war weg, aber es war keine Spur heller geworden. Im Gegenteil: Eine pechschwarze Nacht umgab mich von allen Seiten. Mit den Schwaden war auch das Lagerfeuer spurlos verschwunden, als ob es das nie gegeben hätte. Ungläubig tastete ich den Boden an der Stelle ab, wo es noch vor einigen Minuten geknistert hatte. Er war kühl und feucht und es ließen sich auch keine verkohlten Überreste von Brennholz finden – nichts, was auf eine ehemalige Feuerstelle hindeuten würde. Auch das Licht der Fackeln weiter unten auf dem Pfad war nicht mehr zu sehen, als ich aufstand, um mir ein Bild von meiner aktuellen Situation zu machen – nur die grünlich leuchtenden Betonplatten zogen sich von unten bis an meine Füße, dann war auch damit Schluss! Das phosphoreszierende Leuchten des Hirtenstiegs riss abrupt ab an der Stelle, wo ich gerade stand. Nichts außer schwarzer Leere ließ sich erspähen, als ich versuchte, dem vermutlichen Pfadverlauf mit meinem Blick in die Dunkelheit zu folgen.

Das Telefon! Ein Glück, dass mich meine ehemaligen Bekannten vorhin daran erinnert hatten! Wenn ich es schon sonst kaum benutzte, so musste es jetzt umso zuverlässiger als Taschenlampe herhalten. Ich griff hastig in meine Hosentasche, holte es heraus und drückte den Knopf. Der Bildschirm ging an. Mir fiel ein Stein vom Herzen, es funktionierte. Es gab zwar keinen Empfang, wie es schon die vier berichtet hatten, aber wen sollte ich jetzt noch großartig anrufen wollen? Doktor Faust? Hauptsache, der Akkustand lag bei dreiundneunzig Prozent! Ich suchte noch ungeduldig eine Zeit lang nach der Taschenlampenfunktion, die ich noch nie in meinem Leben benutzt hatte, ehe ich das entsprechende Symbol fand und das Lämpchen an der Rückseite des Gerätes anging. Es war nicht die Welt, was das Technikwunder an Leistung bot, aber ich musste ja auch kein Fußballstadion mit Scheinwerferlicht fluten. Die zwei bis drei Betonplatten auf dem Weg, die ich mit dem Telefon ausleuchten konnte, waren erst einmal absolut zufriedenstellend und auf jeden Fall besser als nichts! Ich musste los, der Akku würde sich ziemlich schnell entladen, erinnerte ich mich an die Berichte der vier nächtlichen Wanderer.

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.844
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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