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Der Brockenwicht: Seite 54
Mir ging ein Licht auf. Natürlich kannte ich diesen Mann am Lagerfeuer, er war damals in Tunesien unser Terrassennachbar gewesen, als wir mit Angelina eine Woche Urlaub in Hammamet gemacht hatten.
Die Anlage hieß Parc Plage Hôtel, erinnerte ich mich, und ursprünglich war auch kein Urlaub im Bungalow mit Meeresblick vorgesehen. Ein schlichtes Doppelzimmer im ersten Stock eines der Nebengebäude der weitläufigen Hotelanlage, wo wir bereits unsere Koffer abgestellt hatten, um anschließend zur persönlichen Begrüßung durch einen Vertreter des Reiseveranstalters vor Ort zu gehen – kaum zu glauben, das hatte es auch mal gegeben, sogar für Pauschalreisende –, wurde kurzerhand gegen eine hochwertigere Unterkunft in direkter Strandnähe getauscht. Geli ging nach dem Cocktailempfang in ihrer unnachahmlichen naiven Art zur Rezeption und fragte: »Hätten Sie vielleicht auch ein Zimmer mit Meeresblick?« »Madame!« Der Rezeptionist zerging in einem unterwürfig heuchlerischen Lächeln. »Asseyez-vous s'il vous plaît, Madame!« Sie hatten nicht nur ein Zimmer, sondern gleich einen ganzen Bungalow! Nach kurzem Abwägen und Nachdenken wurde das Geschäft mit dem Mann am Tresen per Handschlag besiegelt und wir bekamen gleich einen neuen Schlüssel, nachdem ich ihm die vereinbarte Anzahl von Geldscheinen in die Hand gedrückt hatte. Noch am selben Tag tauchten gegen Abend die ersten grauen Schleier auf und kündigten stürmisches Wetter an. Zwei Stunden später goss es bereits wie aus Eimern und der böige Wind kannte kein Pardon, als wir pudelnass im Hotelrestaurant zum Diner eintrafen. Das Grollen der mächtigen Brandung war noch die ganze Nacht zu hören und die aufgepeitschte See konnte sich noch tagelang nicht richtig beruhigen. »Es ist nass und kalt!«, erklang schon am nächsten Morgen hinter der Trennwand der Terrasse der krächzende Bariton des vom Wetter geplagten Nachbarn.
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Es war kurz, aber sehr zutreffend von ihm formuliert. Es war nass und kalt! Abgesehen davon, dass die Leute in diesen Breiten beim Bau eines Hauses nicht primär über die Installation einer Heizungsanlage nachdachten, ließen sich die verzogenen Türen und Fenster nur symbolisch schließen, sodass noch die Reste der wärmeren Luft aus dem Bungalow ungehindert entweichen konnten. Die seltsame Klimaanlage der älteren Bauweise, die fest über dem Eingangsbereich eingebaut war, hatte zwar eine Heizfunktion, aber möglicherweise meinten die tunesischen Gastgeber etwas anderes als ich, wenn sie von Heizen sprachen, oder das raffiniert ausgeklügelte System der Wärmegewinnung entzog sich meinem Verständnis. Auf jeden Fall hatte ich den Eindruck, dass die mühsam erwärmte Luft vom Gebläse wieder nach draußen gepustet wurde, anstatt ins Zimmer geleitet zu werden. »Es ist nass und kalt!«, konnten wir mit Geli auch an den zwei nachfolgenden Tagen aus dem benachbarten Bungalow in der Früh hören, wenn der Nachbar seinen morgendlichen Rundgang auf der Terrasse machte. Eigentlich gefiel uns beiden der Spruch so sehr, dass er unter uns schon zu einem geflügelten Wort wurde. »Lass uns doch am Strand spazieren gehen!«, äußerte meine Frau oft den Wunsch, eine Erkundungstour zu Fuß zu machen. »Keine Lust! Es ist nass und kalt!«, lautete gewöhnlich meine Antwort, da ich eher gewillt war, die Parc Plage Bar zu besuchen, wo es die Getränke bei Vorzeigen des Vollpensionsbändchen am Handgelenk umsonst gab. Wenn ich andererseits genug vom arabischen Bier in der Bar hatte, lautete mein Vorschlag: »Wir könnten ja mit dem Taxi in die Stadt ins Brauhaus fahren.« Darauf kam unverzüglich der Einwand: »Es ist nass und kalt! Ich möchte lieber fernsehen.« So war ich doch etwas enttäuscht, als Geli am dritten Tag von draußen kam und mir eine traurige Botschaft überbrachte. »Unsere Nachbarn ziehen ins Hotel um.« »Wie jetzt?«, fragte ich wie vor den Kopf gestoßen. »Ja, der Mann hat es mir gesagt. Ich habe sie gerade mit den Koffern vor der Rezeption gesehen. Es ist ihnen hier zu kühl.«
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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