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Der Brockenwicht: Seite 51
Mir fiel gleich auf, dass ich ihre Stimme schon irgendwo gehört hatte, vor allem ihren süßen sächsischen Einschlag. Kannte ich sie? Vielleicht, aber ich konnte sie nirgendwo einordnen. »Wie haben Sie es denn überhaupt bis hierher geschafft?«, unterbrach sie der Mann neben ihr – vermutlich ihr Ehegatte oder Lebensgefährte, denn sein Arm lag allzu familiär auf ihrer Schulter. Ein Umstand erschien mir aber merkwürdig: Sie war noch relativ jung, höchstens fünfundzwanzig, wobei ihr Begleiter schon weit über fünfzig hätte sein können. Ich antwortete ausweichend: »Ich habe mich langsam vorgetastet. Dann sah ich das Lagerfeuer und jetzt stehe ich hier! Aber eigentlich will ich zum Gipfel.« »Mmh«, gab er von sich. »Vorhin sind hier schon zwei komische Typen mit einer merkwürdigen Laterne vorbeigelaufen. Sie sind auch zum Gipfel gegangen. Gehören Sie zu denen?« Der Griesgrämige meldete sich auch wieder zu Wort: »Ja, sie redeten irgendeinen Blödsinn: Wieso würden wir denn hier einsam und alleine abseits sitzen, statt oben eine Party zu feiern? ›Von Saus umzirkt und Jugendbraus‹, hat einer von denen gesagt! Was für eine Party, frage ich mich! Wir kommen alle von oben, da gibt es keine Party!« »Keine Ahnung, die kenne ich nicht«, nahm ich entschieden Abstand von den beiden dämonischen Wanderfreunden. »Ich bin allein … beziehungsweise mit meiner Frau, aber sie wanderte ein Stück vor mir, als es dunkel wurde, und ich habe sie aus den Augen verloren. Hat vielleicht jemand gesehen …?« »Nee, wir haben keine Frauen gesehen«, trug nunmehr auch der dritte Mann, der bis jetzt geschwiegen hatte, etwas zum Gespräch bei. Er war kaum über dreißig und sah leicht korpulent, dennoch durchtrainiert, frisch und kräftig aus. »Schön wäre es!«, reagierte auch der Herr mit der angesäuerten Miene auf meine Frage. »Ich vermisse meine auch. Sie muss noch irgendwo auf dem Gipfel sein!« »Aber nehmse Se do Platz, verschnaufen Se a bissl«, lud mich die junge Frau ein und rückte etwas beiseite.
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Es war mir ganz recht. Ich legte meinen Rucksack ab und ließ mich nieder, nachdem auch der schlecht gelaunte Mann für mich Platz gemacht hatte. Wodran war ich denn nun, überlegte ich, während ich die Wasserflasche herausholte. Getrunken hatte ich schon lange nichts mehr, der Durst war enorm. So wie es aussah, hatte ich recht gehabt bei der Annahme, dass am Feuer normale Wanderer saßen, also Menschen aus Fleisch und Blut. Gleichwohl stimmte aber mit ihnen etwas nicht, drängte sich mir der Verdacht auf. Sie kamen alle nicht weiter, weil sie das Leuchten der Betonplatten nicht wahrnahmen, – nichts Außergewöhnliches für Normalsterbliche, wenn da nicht noch ein Umstand gewesen wäre: Sie hatten Doktor Faust mit seinem Begleiter gesehen und offenbar mit den beiden sogar gesprochen. Normal war es nicht! »Und Sie?«, richtete ich zur Abwechslung auch mal eine Frage an die Runde. »Gehören Sie alle zusammen?« »Nein, nein«, meinte der sportliche Brockenwanderer. »Wir haben uns alle hier am Feuer getroffen. Es brannte schon, als ich aus dem Wald herauskam und es als Erster entdeckte. Es war kein Mensch weit und breit zu sehen, nur die Schutzhütte und das Lagerfeuer! Jemand hat sogar einen Vorrat an Brennholz dagelassen. Es ist schon ziemlich geheimnisvoll.« »Das fandch ganz nett von … demjenchen!«, ergriff das Fräulein das Wort. »Mir warn schon ganz verzweifelt, als mir vorne endlich ein Licht sahen, – ohne Weg, ohne Taschenlampe, de Handys sin leer! Stimmt, Markus?« Markus nickte bestätigend in Gedanken vertieft und sagte schließlich: »Stimmt, nach einer Stunde gingen die Dinger aus.« Er nahm sein Smartphone in die Hand, drehte es wie einen nutzlosen Gegenstand hin und her und sah mit Bedauern auf den schwarzen Bildschirm. Die beiden hatten mich unbeabsichtigt zu der Erkenntnis gebracht, dass ich eigentlich ziemlich dumm war: Natürlich! Ich hätte mein Telefon auch als Taschenlampe nutzen können, es war mir bei der ganzen Aufregung noch gar nicht in den Sinn gekommen. Ich tastete unruhig an meinem Bein – ja, ich hatte es noch bei mir, in meiner rechten Hosentasche, und soweit ich mich erinnern konnte, war es heute Morgen noch vollgeladen gewesen, benutzt hatte ich es kaum, nur ein paar Fotos gemacht. »Das ist genau das«, ereiferte sich der Griesgrämige, »was ich schon die ganze Zeit sage: Die Dinger sind der letzte Dreck! Meins geht auch nicht mehr.«
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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