Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Der Brockenwicht: Seite 4

Obwohl das Waldhotel am Ilsestein noch nicht in Sicht war, hatten die Berge zu beiden Seiten der mit kleinen Steinen gepflasterten Straße erheblich an Höhe gewonnen und liefen weit vorne spitz aufeinander zu, so viel konnte man erkennen zwischen den Bäumen von tiefem, kräftigem Grün, die den Weg säumten und inzwischen groß und mächtig geworden waren. Die sagenumwobene Ilse rauschte fröhlich über die Kiesel in einiger Entfernung zu unserer Linken entlang der Felswand. Man konnte sie nicht sehen, die eine oder andere Ferienanlage verdeckte die Sicht, aber sie gluckerte immer vernehmlicher, während wir uns dem Eingang in das Tal näherten. An einer Stelle, der Prinzess-Ilse-Quelle, querte die Straße den wilden Wasserlauf und endlich bekamen wir die Prinzessin Ilse zu Gesicht. Sie sprang von Stein zu Stein und trug eilig ihr schäumendes bräunliches Wasser gen Norden, um es nach ein paar dutzend Kilometern der Oker zu übergeben und auf eine weite Reise zu schicken, über die Aller und die Weser, die es schließlich behutsam zur Nordsee brachte. Und wenn man genau hinhörte, vernahm man hinter den Geräuschen des plätschernden Wildwassers den leisen gemächlichen Atem der Meeresbrandung, man musste nur fest daran glauben!

Die Baumkronen schlossen sich zu einem dichten Dach über unseren Köpfen, nachdem wir das Waldhotel passiert und über eine Brücke die Grenze des Vogelschutzgebiets Hochharz erreicht hatten, die an dieser Stelle allem Anschein nach mit der Grenze des Nationalparks Harz übereinstimmte. Eine große Tafel mit dieser Überschrift informierte uns über die Vogelarten der Gegend und die Aufenthaltsregeln in diesem Vogelreservat. Was mich aber viel fröhlicher stimmte, als mir die Piktogramme der verbotenen Tätigkeiten mit einem dicken roten Kreuz anzusehen, war der Anblick von vielen Wegweisern am Rande der Schotterstraße, die in die dunkle Tiefe des Ilsetals führte. Unter anderem auch ein Pfeil mit der Aufschrift »Heinrich-Heine-Weg«. Und erstaunlicherweise war darauf auch ein Routensymbol wie im Wanderführer zu sehen. Wenn das kein gutes Zeichen war?

»Das ist der Ilsestein«, glänzte ich vor Geli mit meinen Kenntnissen aus dem Wanderführer, während wir die Schotterstraße entlangwanderten. »Und gleich müsste auch der Zanthierplatz kommen.«

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
»Jetzt lesen

Ich hatte meine Bedenken, dass Angelina auch nur die leiseste Ahnung davon hatte, was der Ilsestein war, oder eine Vorstellung davon, wie weit wir auf der roten Linie, die auf der Wanderkarte den Heinepfad markierte, vorangeschritten waren. Ich zeigte ihr die rötliche Granitwand links, die oben durch das dichte Laub der riesigen Buchen am anderen Ufer der Ilse schimmerte.

»Auf diesen Felsen ist Harry Heine hinaufgeklettert und beinahe abgestürzt. Wenn nicht das Kreuz auf der Spitze gewesen wäre, an dem er sich festgeklammert hatte, hätten wir Die Harzreise nie lesen können.«

Geli nickte beeindruckt und sah zum Kreuz hinauf. »Es ist aber hoch! Gehen wir nicht nach oben?«

»Ich glaube nicht. Vielleicht auf dem Rückweg. Sonst verlieren wir gleich am Anfang so viel Kraft, dass wir nachher nicht mehr den Brocken bezwingen können.«

»Mhm«, gab sie zurück und wir setzten unsere Wanderung auf der breiten Forststraße fort, die augenblicklich wenig an einen Wanderpfad erinnerte, aber wenn man den Wegweisern Beachtung schenkte, war es der richtige Weg, zumal ich vorn in einiger Entfernung einen weiteren Wegweiser bemerkte. Dem Heinrich-Heine-Weg war ein ganz großer Richtungspfeil zugedacht, stellte ich fest, als wir die Stelle erreichten. Er zeigte in beide Richtungen, was nur bedeuten konnte, dass wir uns mitten auf der Route befanden. Gemeint war allerdings nicht die Schotterstraße, auf der wir uns bewegten, sondern ein Pfad, der sie hier querte. Der Wegweiser stand schräg zum Forstweg und parallel zu dem Wanderpfad, der von einer Brücke unter dem Ilsestein kam und zu einer Lichtung auf der anderen Straßenseite führte – das musste der Zanthierplatz sein. Was sollte es denn wieder? Offenbar waren wir bis jetzt nicht den Heinrich-Heine-Weg gewandert, den Anfang des Weges hatten wir verpasst, so sah es aus. Es waren wieder die Ungereimtheiten in der Beschreibung im Wanderführer. Sicherheitshalber ging ich zur Brücke, um mich von der Richtigkeit meiner Annahme zu überzeugen. Es gab keinen Zweifel, der Pfad verlief am gegenüberliegenden Ufer der Ilse. Wo fing er denn an? Das war aber auch ein Ding mit diesem Wanderführer!

»Ab jetzt werden wir uns wohl kaum verlaufen«, sagte ich erfüllt von Hoffnung, als wir wieder neben dem Pfosten mit dem Wegweiser standen. »Wenn die Schilder überall so groß und eindeutig sind …«

»… er ist aus Holz!«, unterbrach meine Frau mich mit ruhiger Stimme.

»Was ist aus Holz?«, fragte ich irritiert.

»Der Wegweiser ist aus Holz, es ist kein Verkehrsschild«, konkretisierte sie ihre Beobachtung.

| Seite 4 von 130 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Der Brockenwicht
PDF
Titel: Der Brockenwicht
PDF Dokument: Format A5, 298 Seiten, Dateigröße 4.178 KB, Ausgeführte Dowloads 0, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
5,99 € N/A
Der Brockenwicht
EPUB
Titel: Der Brockenwicht
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 650 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 0, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
5,99 € »Epubli Verlag
Der Brockenwicht Titel: Der Brockenwicht
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
14,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.819
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen