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Der Brockenwicht: Seite 36

Es gab also noch jemanden, der von dem Baumgarten in diesem Dorf Bescheid wusste. Aber ich nicht. Obwohl ich es hätte wissen müssen, nachdem ich mich doch so gründlich auf die Wanderung vorbereitet und, wie von mir gedacht, alle Sehenswürdigkeiten entlang unserer Marschroute in Erfahrung gebracht hatte. Und das gleich zu Beginn der Wanderung! Gut, dass ich wenigstens nicht allein war, es gab noch zwei Doofis, die es nicht wussten.

»Okay, dann lasst uns mal dieses Aquarium sehen«, schlug Wassilij vor.

»Dendrarium«, korrigierte ihn Alexander.

»Egal, Bruder«, erwiderte Wasja in seiner ungehobelten Art. »Welchen Unterschied macht es schon? Dendrarium … Aquarium … Es endet alles auf ›um‹.«

Wir packten die Wasserflaschen ein, halfen uns gegenseitig mit den Rucksäcken und wanderten los, während auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes ein Bus hielt und einige Leute ausstiegen, um die leeren Straßen des Ortes etwas lebendiger zu machen.

»Du musst wohl auch besoffen gewesen sein, als du hier eine Straße gesehen hast«, beanstandete Lembit beim Sergej spöttisch den fehlenden Weg, der uns weiterführen würde, als wir keine fünf Minuten später am Eingang zum Baumgarten standen. Hinter dem Staketenzaun zu beiden Seiten davon wucherte die Vegetation, die allem Anschein nach sich selbst überlassen war.

»Keine Ahnung!«, rechtfertigte er sich. »Vielleicht. Außerdem war es fast vor einem Jahr. Ich glaube, wir mussten bei der letzten Querstraße rechts abbiegen.«

»Wo wir schon in dieser Sackgasse sind, lasst uns mal gucken, was in dem Dendrarium so alles wächst!«, meinte ich, denn mich beschäftigte die Frage, welche exotischen Bäume in dem rauen sibirischen Klima gedeihen konnten. Doch nicht etwa Palmen!

Ich fing an, mich von der Last des Rucksacks zu befreien und erstarrte im selben Moment vor Schreck: Es fehlte etwas! Etwas, was ich noch vor dem Rucksack hätte abnehmen müssen, um an die Gurte zu kommen. Meine Umhängetasche mit den wichtigen Sachen! Ich hatte sie am Brunnen an dem Laternenmast hängen lassen.

»Verdammt!«, schimpfte ich laut und alle sahen mich an.

Wasja erkannte als Erster den Grund: »Jetzt gucken wir in die Röhre, was? Die Kohle ist weg.«

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Er war schon immer ein Geizkragen gewesen und konnte manchmal sogar unangenehm wirken wegen seiner Knauserigkeit, aber diesmal hatte er vollkommen recht: Die Kohle war vorerst weg!

»Die Tasche muss noch dort am Brunnen hängen!«, gab ich die Hoffnung nicht auf und lief zurück zum Dorfplatz. Sergej folgte mir.

Der verrostete Nagel steckte einsam im verwitterten Holz des Laternenmastes, als wir zum verhängnisvollen Brunnen zurückgekehrt waren. Von der Tasche fehlte jede Spur. Verzweifelt befragten wir die wenigen Ausflügler aus dem Bus, die noch auf dem Platz verblieben waren, ob sie am Brunnen eine Feldtasche oder jemanden mit einer solchen in den letzten fünfzehn Minuten gesehen hatten. Alle schüttelten den Kopf, bis sich ein Pärchen vage an einen dunkel gekleideten Mann erinnerte, der sich am Brunnen aufgehalten hatte und dann Richtung Dendrarium aufgebrochen war. Es war besser als nichts, brachte uns aber nicht wesentlich weiter: Wir waren vom Dendrarium gekommen und hatten keinen unterwegs getroffen, der Mann hätte schon sonst wo sein können und es stand noch gar nicht fest, dass er etwas von der Tasche wusste.

Ich war am Boden zerstört. Ein halbes Jahr Vorbereitung, Beschaffung von robusten Schuhen, wandertauglicher Kleidung und geräumigen Rucksäcken, und erst recht das Überreden der Teilnehmer, sich auf so ein Abenteuer einzulassen, – das war alles für die Katze gewesen, zerging ich Innerlich in Selbstvorwürfen! Wir saßen hier fest. Das Beste, was wir jetzt machen konnten, war, sich die Rucksäcke auf den Buckel zu werfen und geradewegs zurück in die Stadt zu marschieren. Wir hatten nichts mehr: keine Karte, keinen Kompass, keinen Plan und kein Geld. Alles war unwiederbringlich mit der Tasche verlorengegangen wegen meiner eigenen Dummheit und Vergesslichkeit. Wir konnten uns weder ausweisen, noch bestand die Möglichkeit, erste Hilfe zu leisten, denn das Verbandszeug befand sich ebenfalls in der verflixten Tasche. Wir suchten noch fast eine Stunde lang, nachdem sich auch der Rest der Gruppe uns angeschlossen hatte, den ganzen Ort nach einem dunkel gekleideten Mann ab, alles war vergebens. Im Dickicht des Dendrariums kannte ich schon jede einzelne Ecke und im Dorf hätte ich bald als Fremdenführer arbeiten können, aber der geheimnisvolle Mann in dunkler Kleidung tauchte nicht auf und die Tasche blieb wie vom Erdboden verschluckt.

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.825
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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