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Der Brockenwicht: Seite 24
»Halt, halt, halt, junger Mann!«, gab er eingeschnappt von sich. »Nicht so viele Fragen auf einmal! Alles schön der Reihe nach, sonst komme ich mit euch allen noch durcheinander. Es ist immer das Gleiche …« »Okay, dann der Reihe nach: Wer seid ihr?«, stellte ich meine Frage erneut. »Wir sind die Brockenwichte.« »Das weiß ich schon. Und weiter?« »Wir begleiten solche elenden Wanderer, wie du zum Beispiel, durch den Wald«, weihte er mich in sein Geheimnis ein. »Wir beschützen sie vor dem Oberzwerg. Er ist darauf aus, ahnungslose Touristen in seine Gewalt zu bringen, um böse Dinge mit ihnen anzustellen. Die Schattenkreaturen, die du vorhin gesehen hast, das ist seine Bande und die Wesen sahen nicht immer so aus, vermutlich waren es früher solche Amateure wie du.« »Alle?« »Ausnahmslos.« »Soll das heißen, dass meine Frau jetzt auch ihnen angehört?«, regte ich mich auf. »Sie ist nämlich vorhin verschwunden. Warum hast du sie nicht beschützt, du, abscheulicher Wicht? Was ist mit ihr passiert? »Wow, wow, wow, wow!«, reagierte der kleine Wicht prompt. »Jetzt mal langsam! Zum einen: Wenn schon ein abscheulicher, dann ein abscheulicher Brockenwicht. Ich bitte darum! Und zum anderen: Was soll mit ihr denn großartig passiert sein? Sie kann unsere Welt nicht sehen, also kann ihr auch nichts passieren! Sie wandert immer noch irgendwo vorne auf dem Pfad und genießt die Aussicht.« »Bedeutet es, dass es ihr gut geht und sie noch absolut normal ist?« »Klar, Mann!« Er runzelte verärgert die Stirn, weil ich so schwer von Begriff war. »Wir sollten uns übrigens auf den Weg machen, sonst kriegen wir sie nicht vor dem Hirtenstieg!« »Welchem Hirtenstieg?«
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»Unwichtig! Komm, nimm mich auf deine Schulter, die Zeit drängt! Ich habe schon den nächsten Auftrag in der Tasche. Unten an den Ilsefällen ist gerade noch so ein Besserwisser angekommen wie du! Er wird auch Schutz brauchen, ich muss ihn in einer Stunde an der Bremer Hütte abholen.« »Muss ich dich etwa noch tragen?«, protestierte ich. »Unglaublich!«, rief er laut und rümpfte erbost seine Stupsnase. »Unglaublich, wie einfach sich die Leute das alles vorstellen. Sie wollen ein freies Geleit haben und wollen nichts dafür tun! Denkst du, ich laufe jetzt über Stock und Stein hinter dir her, oder was? Los! Nimm und setz mich auf deine Schulter! Ich beschütze dich und du trägst mich – so lautet die Regel!« Ich hörte auf den eigensinnigen Brockenwicht, ließ ihn auf meine ausgestreckte Hand aufspringen und beförderte den tapferen Beschützer auf die linke Schulter. Er murmelte etwas unzufrieden, bis er sich in eine bequeme Sitzposition gebracht hatte, und ergriff mein Ohrläppchen, um einen sicheren Halt zu bekommen. »Sachte, nicht so heftig ziehen und kratz mich bloß nicht an der Wange mit deinem spitzen Zapfen!«, erklärte ich ihm meine Regeln. »Es wird sich schon irgendwie einrichten lassen«, erwiderte er. »Na, was stehst du denn noch rum? Wir können!« Ich hinkte ein wenig wegen dem angeschlagenen Knöchel, doch der Wanderstock leistete seinen Beitrag, um den Fuß nur geringfügig belasten zu können. Im Übrigen funktionierte es ganz gut, soweit man den Ausdruck auf das langsame Vorankommen auf einem steil ansteigenden Pfad beziehen durfte. Meine Kräfte hatten sich noch nicht in vollem Umfang regeneriert, aber ich war guter Dinge. Die giftig aussehenden Tannen hatten wieder ihre normale Farbe angenommen und schlugen nicht mehr mit den Wurzeln um sich. Der Weg führte zwar nach wie vor durch das dunkle Gewölbe von zusammengewachsenen Nadelbäumen, aber ich hatte den Eindruck, dass sich die Zweige zuvorkommend anhoben, um mich mit dem einem Märchen entsprungenen Begleiter auf der Schulter durchzulassen, ohne dass ich meinen Kopf beständig einziehen musste. Ich war mit einem blauen Auge davongekommen dank dem Brockenwicht, bei dem ich mich noch gar nicht so richtig bedankt hatte, fiel es mir siedeheiß ein. »Hör mal, Brockenwicht«, sprach ich zu ihm, »wie kann ich mich bei dir bedanken? Irgendwie erkenntlich zeigen dafür, dass du … sagen wir mal, mir das Leben gerettet hast?
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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