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Der Brockenwicht: Seite 17

Ich verlor mich in wilden Spekulationen, worauf sie hinauswollte, setzte meinen Vortrag aber fort: »Komm mit nach meinem Schlosse, wir wollen selig sein.«

»Dein Heine war ein alter Hurenbock!«, sagte sie schließlich lächelnd, nachdem ich meine romantische Darbietung mit einem pathetischen Klang in der Stimme beendet hatte.

»Khä, khä«, räusperte ich mich warnend.

»Ja, er wollte sich ja nur mit deiner Ilse im Schloss amüsieren!«

»Du kannst aber auch alles kaputtmachen!«, rief ich verärgert. »Das ist normalerweise meine Aufgabe, dich aufzuziehen. Und nein, wenn du mich fragst, er war ein junger Hurenbock!«

»Okay, ist ja gut!«, entgegnete sie friedlich. »Jetzt weißt du auch, wie das ist, wenn du mich ständig auf den Arm nimmst. Aber mir gefällt auch diese Wanderung und dein Gedicht ebenfalls.«

»Es ist nicht …!«

»Entschuldigung, das Gedicht von Heine.«

»Erzähl keinen Quatsch! Die Harzreise hast du nie gemocht, du wolltest sie seinerzeit mit dem Messer durchschneiden und an mich verfüttern! Schon vergessen?«

Sie sah mich vorwurfsvoll an. »Du … du … Was redest du …?«

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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»Ja, da wirst du dich wohl noch erinnern können! Es war übrigens der zweite Band mit der Harzreise, den du mir serviert hast. Sehr geschmackvoll, muss ich anmerken!«, meinte ich voller Sarkasmus und mit ordentlicher Portion Häme in der Stimme, denn genau das war einmal passiert, vor langer, langer Zeit, als wir gerade frisch verheiratet gewesen waren.

 

Eines Tages, noch während meines Studiums an der Hochschule, entdeckte ich im Studentenkiosk eine durchaus lohnende Alternative zum Einkaufen von Literatur: Die gleiche Ausgabe von Heines Werken in fünf Bänden wurde dort wesentlich günstiger angeboten als im Buchladen in der Stadt. Es bot sich plötzlich eine Gelegenheit, die ich so schnell wie möglich in Anspruch nehmen wollte. Es hing vermutlich mit irgendwelchen Zuschüssen und Nachlässen für Studenten zusammen und das Angebot war in aller Regel auf das Exemplar in der Auslage beschränkt – man musste sich schnell entscheiden. Ich hatte schon vor ein paar Monaten die fünf Bände ins Auge gefasst, hatte mir aber bis jetzt die Bücher nicht leisten können. Ich wartete darauf, dass unser kümmerliches Familienbudget es endlich hergab, dass man ihm den einen oder anderen Geldschein entwenden konnte. Unsere ältere Tochter war vor etwa einem Jahr zur Welt gekommen. Geli hatte Mutterschaftsurlaub und bekam nur eine sehr kleine, um nicht zu sagen gar keine Unterstützung, ich bezog ein Stipendium von der Hochschule, musste aber trotzdem nebenbei noch zwei- oder dreimal in der Woche als Nachtwächter in einem Betrieb Dienst machen, um über die Runden zu kommen. Es war keine Seltenheit, dass wir Ende des Monats einige Tage auf dem Trockenen saßen, mit der Miete in Verzug gerieten und einfach nicht mehr weiterwussten, bis endlich von irgendeiner Seite eine Zahlung kam. Kurz, das Geld reichte hinten und vorne nicht. »Was soll ich denn jetzt machen?«, fragte ich mich, als ich den Empfang des Betrages am Zahltag des Stipendiums auf der Bezieherliste quittiert hatte. Ich stand vor dem Kiosk und sah mir abwechselnd die elenden Scheine in der Hand und die fünf Bücher hinter dem Schaufenster an. Sie waren solide gebunden, mit einem dicken festen Umschlag, bezogen mit samtigem blauem Stoff, auf dem sich die geprägte Überschrift »HEINE« mit Gold schmückte. »Kann ich mir vielleicht einen Band ansehen?«, fragte ich die Verkäuferin mit trauriger Stimme. Eigentlich war die Entscheidung schon im gleichen Augenblick gefallen, als meine Hand das Buch berührt hatte, ich hätte es nicht mehr aufzuschlagen brauchen. Trotzdem blätterte ich es noch eine Zeit lang wahllos hin und her, um mich vom Duft der frischen Farbe inspirieren zu lassen, als sich das Druckwerk auf der Seite siebenundfünfzig öffnete und das Erste, was ich dort las, war: »Ich weiß nicht, was soll das bedeuten, dass ich so traurig bin.« Ich musste fast auflachen! »Ja, warum bin ich denn eigentlich so traurig?«, fragte ich mich und drückte der Kioskangestellten zwei Scheine in die Hand von den vier, die ich zuvor bekommen hatte. Ob schon jemand vor mir das Buch auf dieser Seite aufgeschlagen und den Einband dabei richtig nach hinten durchgeknickt hatte, sodass es sich vorzugsweise an dieser Stelle von alleine geöffnet hatte, oder ob es eine Art Vorsehung war, darüber machte ich mir in dem Moment keine Gedankten. Mich beschäftigte eher die Frage, wie ich die Notwendigkeit dieser Geldausgabe Angelina begreiflich machen sollte. Es fiel mir nichts Vernünftiges ein.

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.821
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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