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Der Brockenwicht: Seite 13
Evelin explodierte vor Lachen und zeigte mir die aktuelle Einstellung. Ich nahm mir die Hand vors Gesicht und schüttelte den Kopf. Angelina saß etwas verwirrt da, sah uns mit einem entfremdeten Blick an und konnte den Grund unserer Heiterkeit nicht verstehen. Der Strich auf dem Einstellungsrad zeigte auf OFF …
Ich ging auf Geli zu, da sie immer noch wie angewurzelt auf dem Pfad stand und den Bildschirm anstarrte. Eigentlich lief die Aufnahme gar nicht mehr, stellte ich fest, als ich mir die Anzeige angesehen hatte. »Du hast ja schon alles …«, wollte ich sie gerade beruhigen, als mir plötzlich ein Licht aufging. »Hast du das Video überhaupt aufgenommen?« »Hier, nimm dein Telefon, ich weiß es nicht. Ja, habe ich. Lass mich jetzt damit in Ruhe!« »O nein, meine liebe Frau …«, meinte ich enttäuscht, nachdem ich mir die letzte Aufnahme angesehen hatte. Es war ein kurzes Video von fünf Sekunden, das vermutlich bei ihren Spielereien mit dem Stopp- und Startknopf entstanden war. Es zeigte nur die Steine auf dem Weg. »Du hättest ja noch den Auslöseknopf drücken sollen!« »Woher soll ich denn das wissen, was man bei dir drücken muss? Der Knopf war rot!« »Ja, und wenn man darauf drückt und die Aufnahme läuft, ist er nicht mehr ganz rot. Guck …« Ich zeigte ihr, wie die Taste im Aufnahmemodus aussah. »Und bei mir wird er ganz rot! Du hast mir nichts gesagt!«, regte sie sich auf. Ich sah meinen Fehler ein. Freilich, ich hatte es ihr erklären sollen, wie es auf meinem Telefon funktionierte, oder zumindest sagen, dass sie zum Aufnehmen noch diese und jene Taste betätigen musste. Angelina geriet auch sonst schon in Panik, wenn sie auf ihrem Smartphone mit unbekannten Funktionen und Meldungen konfrontiert wurde. Sie nahm zurecht an, dass sie gleich in einen Dschungel von Nutzungsbedingungen weitergeleitet worden wäre, sobald sie auch nur irgendeine Taste betätigt hätte. Da wusste sie nicht mehr hinaus und hing fest. »Was wollen sie von mir? Kannst du das wegmachen?«, kam sie dann gewöhnlich zu mir mit dem Problem. Und ich hatte ihr vorhin ein Gerät in die Hand gedrückt, wo auf dem Bildschirm alles anders aussah als bei ihr. Es war ohne Zweifel sehr dumm von mir gewesen. »Okay«, gab ich mich geschlagen. »Und weil es so schön war, machen wir das Ganze noch einmal! Gut?«
(?)
Ich hörte keine Proteste, drehte mich um und schritt auf dem Pfad in Richtung der Ilsefälle. Aber mir war es nicht mehr nach einer Verfolgungsjagd zumute, ich lief einfach stupide vorwärts. Die Inspiration war weg, die Erinnerungen hatten nun ganz andere Saiten in meinem Inneren berührt, die immer noch voller Wehmut in meinem Herzen klangen, als ein paar Minuten später vorne ein Steg auftauchte, der über den Bach führte, und ich Geli ein Handzeichen zum Abbrechen gab. Auf der anderen Seite des Tiefenbachs brachte uns der Wurzelpfad schon nach ein paar Schritten zu einem Forstweg. Der Heinewanderpfad querte ihn schräg und verschwand in einiger Entfernung abermals im dichten Wald. Ob es derselbe Forstweg war, den wir schon gesehen hatten, vermochte ich nicht zu sagen, aber ich vergewisserte mich, dass die Wegweiser, die daneben standen, echt waren. Man wusste nie! Doch nach einer eingehenden Prüfung der massiven Holzpfeile kam ich zum Schluss, dass sie mein vollstes Vertrauen verdienten. Vom Stil her glichen sie in allen Details denen, die wir schon gesehen hatten. Wir waren auf dem richtigen Weg. Ich hielt es an dieser Stelle sogar für angebracht, ein Lob an die Verwaltung des Nationalparks zu zollen. »Sie haben es hier aber wirklich alles so gut gekennzeichnet, dass man sich kaum verlaufen kann!«, bemerkte ich zufrieden mit der einheitlichen Gestaltung der Pfadmarkierungen im Park. »Ja. Es ist viel besser als die kleinen Schildchen in … na dort, wo wir gleich am Anfang waren«, schloss sich Geli meiner Meinung an. »In Clausthal, wo wir uns verlaufen haben?« »Ich weiß nicht, wie der Ort heißt. Egal, die kleinen weißen Täfelchen waren überall, wo wir wanderten. Ich habe nie verstanden, wohin wir an einer Kreuzung gehen sollen.« »Es lieg wohl daran«, mutmaßte ich, »dass dort der Naturpark Harz ist und hier der Nationalpark. Merkst du den Unterschied?« »Nein.« »Es sind verschiedene Zuständigkeitsbereiche. Die Naturparks, es gibt hier ein paar davon, werden von den Ländern verwaltet und der Nationalpark, wie der Name schon sagt, bekommt vermutlich die Finanzierung von irgendeinem Bundesministerium. Verstehst du? Die Länder hatten nur Geld für weiße Täfelchen übrig und die Bundesregierung hat sich zu rustikalen Holzpfeilen breitschlagen lassen! Denke ich mal, ich weiß es aber nicht genau.«
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KurzinhaltDie Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?Über den Autor
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