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Der Brockenwicht: Seite 114

»Die andere Sache ist«, fuhr Dominik fort, »du hast ja den Verbrechern etwas versprochen. Wie ich es mitbekommen habe, wollen sie, dass du bei irgendeiner Sache mit kompromittierenden Aufnahmen und Videos mitmachst. Ist es nicht gefährlich?«

»Ich werde es schon irgendwie später regeln«, wich ich einer direkten Antwort aus und war froh, dass Geli uns in diesem Augenblick endlich eingeholt hatte und ich vorerst keine Fragen mehr zur Geiselnahme beantworten musste.

Die schwarzen Schwaden über dem Brocken hatten sich aufgelöst, die Sonne hing noch knapp über dem magischen Berg, spielte Verstecken mit den leichten Schönwetterwölkchen und flutete bisweilen zum Abschied die Gegend mit ihrem gelbrötlichen Licht. Der kahlköpfige Geselle zeigte sich nunmehr in seiner vollen Größe, er thronte über dem Harz, sichtbar aus jeder Ecke, und erinnerte einen permanent daran, dass hier nichts geschah, ohne von seinem allsehenden Auge bemerkt zu werden. Er war hier der wahre Gebieter, er bestimmte über die Schicksale der ahnungslosen Menschen, die an seinen Hängen herumkrebsten und sich für Gott weiß was hielten, darüber, wer seiner Gnade würdig war und wer mit dem Höllengesindel Bekanntschaft machen musste. Das Bild, das ich sah, hatte ich heute Vormittag bereits von den Oberen Ilsefällen aus betrachtet, aber zu dem Zeitpunkt hatte ich noch nicht gewusst, dass ich bei ihm in Ungnade fallen würde. Welchen Anlass konnte ich denn geliefert haben, fragte ich mich und fand keine Antwort. Und überdies hatte ich keine Antwort auf die Frage, was uns noch alles auf dem Weg erwartete. Es waren immerhin noch ein paar Kilometer bis zur Stadt und es konnte noch viel passieren. Der Wicht konnte mir nichts mehr verraten, er war weg.

»Du hast doch gesagt«, wandte ich mich an Leoni, als wir weitergehen wollten, »dass es dir schon viel besser geht?«

»Ich denke schon!«, gab sie zur Antwort, hob das gesunde Bein an und blieb einen Augenblick auf dem angeschlagenen stehen.

»Kannst du vielleicht versuchen zu laufen, wenn nur Dominik dich von einer Seite absichert?«, erkundigte ich mich vorsichtig. »Ich würde dann lieber den Rucksack zusammen mit Geli tragen, damit sie nicht zurückbleibt.«

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Das Geheimnis des vernebelten Passes

Das Geheimnis des vernebelten Passes

Reiseroman von Nikolaus Warkentin
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»Okay, ich versuche es«, stimmte sie meinem Vorschlag mit einem Lächeln im Gesicht zu.

Ich war kaum noch überrascht, dass es einwandfrei funktionierte, nachdem ich bei Leonie bereits zuvor den in jeder Hinsicht schwer nachvollziehbaren rasanten Genesungsfortschritt festgestellt hatte. Sie hinkte nur leicht, während sie sich auf die Schulter von Dominik abstützte, und zog das linke Bein etwas nach, was möglicherweise an der Schiene lag, die sie nunmehr beim Gehen offensichtlich hinderte. Geli und ich folgten dem Pärchen mit Dominiks Rucksack, den wir wie einen Sack Kartoffeln durch die Gegend trugen, indem jeder eine Ecke fest in der Hand hielt und ab und zu seine Seite mit dem anderen tauschte, damit sich der strapazierte Arm erholen konnte.

Unbehelligt und ohne Zwischenfälle erreichten wir die Oberen Ilsefälle und hielten auf der Roten Brücke. Unten rauschte die Ilse, sie nahm Anlauf, um gleich wagemutig auf dem steilen Hang nach unten zu hüpfen, von einem Felsvorsprung zum anderen. Ich hatte ein ungutes Gefühl gehabt, das war der Grund, warum wir uns nicht in der Bremer Hütte niedergelassen hatten. Von Weitem kam es mir so vor, dass sich jemand in der Hütte aufhielt, mehrere Personen, die sich später allerdings wie in Luft auflösten, als wir näher gekommen waren. Es war mir nicht ganz geheuer, von unheimlichen Begegnungen hatte ich die Nase gestrichen voll. Auf der Brücke befand man sich wenigstens im offenen Gelände und konnte unliebsame Besucher schon aus der Ferne erkennen.

»Ich denke, wir sollten uns mal deine Wunde ansehen«, meinte Angelina zu Leonie, als wir die Rucksäcke auf der Fahrbahn abgestellt und uns ans Geländer gestellt hatten, um die launisch aufbrausende Ilse zu bewundern.

»Gut«, zeigte sich das Mädchen einsichtig. »Dominik, kannst du den Stock auch ganz wegmachen? Ich glaube, ich brauche ihn nicht mehr. Er stört nur beim Laufen.«

Dominik bejahte ihre Frage und machte sich an der Schiene zu schaffen, während ich mich beunruhigt umsah, alarmiert durch ein Geräusch, das ich nur zu gut kannte. Gerade hatte ich für einen kurzen Augenblick wieder dieses angsteinflößende Rascheln, Flüstern und Knistern vernommen, das die widerlichen Schattengeschöpfe zu generieren pflegten. Ich war mir nicht sicher, zumal es gleich verstummt war und ich gegenwärtig nicht mehr als das Rauschen des Wassers akustisch wahrnehmen konnte.

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.859
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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