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Der Brockenwicht: Seite 107

»Nee, nee, deine Esmeralda ist da schon sehr geeignet für diese Art von Tätigkeit«, entgegnete ich.

Ich erinnerte mich beiläufig daran, wie ich auf dem Hirtenstieg versucht hatte, das blonde Mädchen nach Ilsenburg zurückzuschicken. Was hatte sie jetzt davon, dass sie meinem Rat nicht gefolgt war? Sie hätte aus sich was machen können, anstatt hier erniedrigt und vorgeführt zu werden. Aber sie hatte es so gewollt. Manche lernten es nie.

»Das ist natürlich eine ganz reizende Idee, die du ins Geschäft reinbringen willst«, fuhr ich fort, ohne mir etwas anmerken zu lassen, »aber was ist die Idee wert, wenn die Einnahmequelle fehlt? Ich meine: Wo willst du denn die Leute herbekommen, die Esmeraldas Filme bezahlen sollen? Die liefere wohl ich! Und ist das nicht der allerwichtigste Teil von dem ganzen Geschäftsmodell?«

»Zwanzig Prozent«, fiel mir Mephisto ins Wort.

»Was, zwanzig Prozent?«

»Du bekommst ein Fünftel der Einnahmen«, verlautete er seine Preisvorstellung.

»Aber …«, wollte ich meinen Einwand vorbringen.

»Das ist mein letztes Wort. Du solltest das Angebot annehmen, sonst gehst du leer aus und machst trotzdem alles, was ich von dir verlange.«

Er saß am längeren Hebel, es ließ sich nicht leugnen. Es war ohnehin schon ein Erfolg, dass ich ihn dazu gebracht hatte, über einen blödsinnigen Vertrag zu verhandeln und mir Geld zu bieten. Ich glaubte, ich sollte lieber früher als später zustimmen, ehe er auf die Idee kam, wieder die Schattenzwerge einzuladen.

»Okay, aber nur, weil du es bist«, fand ich eine gesichtswahrende Formulierung.

»Gut«, sagte er zufrieden. »Esmeralda meldet sich bei dir die Tage. Sei nett zu ihr! Und noch was: Ranulf versteht zwar nichts von Computern, dafür hatte er sich aber seinerzeit umfangreiches orthopädisches Wissen angeeignet. Er weiß ganz genau, welche Knochen am meisten wehtun, wenn man sie bricht. Beachte es, denn er wird ab sofort ein Auge auf dich haben. Nur für den Fall, dass du irgendwie vom rechten Weg abgekommen sein solltest. Er wird dich durch seine Anwesenheit an jeden einzelnen Punkt unserer Abmachung erinnern. Und jetzt muss ich los, der Berg ruft! Esmeralda, komm! Ranulf, Abmarsch!«

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Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Des Teufels Steg - Wenn sich die Pforte schließt

Roman von Nikolaus Warkentin
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Im nächsten Augenblick packte Mephisto sein Hexenweibchen an der Taille, hob sich mit ihr wie von Flügeln getragen über dem Boden, beide wirbelten ein paarmal um die eigene Achse und lösten sich auf. Nur eine dunkle Dunstwolke hing noch eine Zeit lang wie feiner Ruß in der Luft und fiel alsdann in sich zusammen. Von Blocksberg entfernte sich von uns derweil in größter Eile auf dem Schotterweg nach Ilsenburg.

Stille kehrte ein. Ich nahm an, der Gangsterfilm war vorerst zu Ende, obwohl ich es noch nicht richtig glauben konnte. Noch eine kurze Weile stand ich ratlos da und wusste nicht, was ich tun sollte, bis die jungen Leute mich mit ihren unterdrückten Stimmen hinter dem Klebeband in die Realität zurückgebracht hatten. Das Mädchen blutete am Bein, in ihrem Oberschenkel klaffte eine Bisswunde. Der Junge versuchte energisch, sich von seinen Fesseln an den Händen zu befreien, und bewegte seinen Oberkörper ungestüm von einer Seite zur anderen.

»Komm schnell her!«, rief ich meiner Frau zu. »Hol das Messer raus!« Das alte Federmäppchen, das noch aus der Schulzeit unserer Kinder stammte und das wir schon seit Jahren zum Aufbewahren von Reisebesteck im Urlaub benutzten, lag in ihrem Rucksack.

»Was hat dieser Typ mit ihnen gemacht? Wer war es überhaupt?«, fragte sie, nachdem sie sich der Schutzhütte genähert und den misslichen Zustand der Geiseln gesehen hatte.

»Nicht jetzt. Nachher«, verweigerte ich jegliche Erklärungen zum aktuellen Stand der Dinge. »Jetzt ist keine Zeit. Wir müssen das Mädchen in die Hütte bringen und ihre Wunde versorgen.«

Sie nahm rasch den Rucksack ab, holte das Etui heraus und reichte mir das Messer. Als Erstes schnitt ich die Fesseln beim Jungen durch, damit er mir gleich mit seiner Gefährtin helfen konnte, und solange er sich noch mit dem Klebeband an seinem Mund beschäftigte, befreite ich auch die junge Frau von den Kabelbindern an ihren Handgelenken und Fußknöcheln.

»Wie geht es dir?«, fragte ich sie besorgt, während ihr Begleiter eine nasse Regenjacke vom Boden aufhob und über ihre bloßen Schultern warf.

Das Mädchen zitterte am ganzen Körper und sagte kein Wort, obwohl ich das Klebeband von ihrem Mund entfernt hatte. Sie hatte allem Anschein nach den tiefsten Schock ihres Lebens erlitten, der ihr vorübergehend die Sprache verschlagen hatte. Sie saß abwesend auf dem Boden und sah sich voller Entsetzen die Bisswunde an ihrem Bein an.

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Der Brockenwicht von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Die Welt des Guten und die Welt des Bösen. Wo liegt die Grenze, die dazwischen verläuft? Gibt es sie überhaupt oder ist es ein und dieselbe Welt, zwei Wirklichkeiten, die miteinander zu einer verschmolzen sind, wo sich die Realitäten überlagern und wie unsichtbare Zahnräder ineinandergreifen? Oder gibt es ein mysteriöses Portal, durch das man aus einer Welt in die andere gelangen kann? Wenn es wahr ist, so muss es irgendwo auf dem Blocksberg im Harzgebirge liegen, denn mindestens einmal im Jahr öffnet sich das geheimnisvolle Tor in die Unterwelt und der Fürst der Finsternis übernimmt die Macht auf dem sagenumwobenen Brocken. Ein Mann durchlebt während seiner Wanderung auf dem Heinrich-Heine-Weg im Harz die Walpurgisnacht aus Goethes Faust auf seine eigene Art. Ein seltsamer Kobold, ein durch seine Vorstellungskraft entstandenes Fabelwesen, begleitet ihn als treuer Beschützer auf seinem beschwerlichen Weg. Der Wanderer begegnet Leuten, die er nur flüchtig kannte oder schon seit Jahrzehnten nicht mehr sah. Sie scheinen aber alle nicht mehr von dieser Welt zu sein und sind aus irgendeinem Grund alle wieder da, um an der teuflischen Aufführung teilzunehmen. Er trifft auf bizarre Wesen, die nur der Hölle entsprungen sein können. Hexen kreisen in Scharen über seinem Kopf und schließlich bringt ihn der Höllenfürst dazu, einen Pakt mit ihm zu schließen, der noch ein langes Nachspiel haben wird, in das einige Unbeteiligte wie in einen Strudel des Verderbens mit hineingezogen werden. Es scheint zuweilen alles Fantasie zu sein, aber wer weiß: Vielleicht ist auch etwas Wahres dran?
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 9.859
Online Seiten: 130
PDF Downloads: 0
PDF Seiten: 298
EPUB Downloads: 0
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 495535
Druckwörter: 91448
Buchseiten: 384
Erschienen: July 2022

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