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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 90
* * *Von hier aus lief der mit rotbraunen Steinen gepflasterte Pfad hinunter zum Ecumeadapass. Es war definitiv unsere Richtung, was auch der Wegweiser an der Kreuzung unterhalb des Gipfels, von dem wir gerade heruntergekommen waren, unmissverständlich verriet. Darauf stand dieselbe Nummer der Wanderroute wie unten am Pass, nur dass hier statt »Pico Ruivo« das Wort »Encumeada« in den Holzpfeil eingeritzt war, der nach links zeigte. Die Zahlen waren aber die Gleichen – 1 und 3. Rechts ging es an der Weggabelung zurück nach Achada do Teixeira, wo wir auf dem Parkplatz gestartet waren, und nach Ilha, einem Ort, der unweit von Santana lag. Die Wanderrouten trugen die Nummern 1.1 und 1.2. Es lag auf der Hand, dass alle Touren, die etwas mit dem Pico Ruivo zu tun hatten, mit der Ziffer 1 anfingen. Kurz bevor wir den Pico erreichten, hatte ich noch eine Einmündung gesehen. Es war der Pfad, der vom Pico do Arieiro hierher führte, aber ob er auch eine Nummer hatte, die mit einer eins begann, wusste ich nicht mehr, ich hatte nicht darauf geachtet. Wir mussten nach links abbiegen. »Da lang müssen wir gehen«, machte ich Angelina, die vor mir auf dem Pfad nach unten lief, auf den Kurswechsel aufmerksam. »Ja, das weiß ich doch. Das haben wir schon auf dem Weg nach oben besprochen!«, erwiderte sie und wartete geduldig so lange, bis eine größere Wandergruppe aus der Gegenrichtung nach oben durchmarschiert war. Das war richtig. Vor vierzig Minuten hatte ich bereits von dieser Kreuzung aus sehnsüchtig auf den Pfad geschaut, der an der Südflanke des zentralen Bergrückens endlich wieder nach unten führte, aber wir hatten zuerst noch einen Abstecher zum höchsten Gipfel der Insel machen wollen. »Das ist ja hier wie eine Pilgerstätte!«, beschwerte ich mich, als wir endlich den Weg mit der endlosen Karawane aus Hobbybergsteigern verlassen hatten. »Wenigstens scheint es auf diesem Pfad ganz ruhig zu sein.« »Alle wollen doch den höchsten Berg besuchen!«, verteidigte Geli die überwiegend gebrechlichen Gipfelstürmer, im Vergleich zu denen sogar ich wie ein Weltmeister aussah. Es kam mir vor, dass sie sich hier heute alle gleichzeitig eingefunden hatten, um dem Berg ihren Tribut zu zollen und anderen Wanderern im Weg zu stehen. »Musste es denn unbedingt heute sein?«, fragte ich unzufrieden. »Dafür haben wir die Franzosen getroffen!«, freute sich Geli. »Welche … Ach so! Die Franzosen«, erinnerte ich mich daran, wie oben auf der Aussichtsplattform auf einmal das französische Paar vor uns stand, dem wir am zugenagelten Tunneleingang neben dem einsamen Häuschen an der Levada begegnet waren.
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![]() Auf dem Dach von Madeira Die beiden waren mit ihrer Gipfelerstürmung schon fertig gewesen, als die Frau uns plötzlich aus der Schlange zuwinkte, die sich in die entgegengesetzte Richtung nach unten bewegte. Die Französin konnte ein wenig Deutsch und wechselte mit Geli ein paar Sätze. Was sie genau besprachen, hörte ich nicht mehr, denn ich entfernte mich von der Gruppe und stand am Geländer der Aussichtsplattform, die zur Freude der Touristen auf der Spitze des Berges angelegt war. Ich blickte zurück auf den lang gezogenen Bergrücken, auf dem wir vom Parkplatz hierher gewandert waren. Der Wanderpfad folgte ihm auf der ganzen Länge. Den Parkplatz konnte man von hier nicht sehen, ein Hügel verdeckte die Sicht, aber bis dorthin sah ich dutzende von Touristen, die den Berg erklimmen wollten. Ich war etwas enttäuscht darüber, dass auf dem Weg zum Pico Ruivo so ein dichter Verkehr herrschte. Vor allem an engen Stellen entstand permanent ein regelrechter Stau. Am Fuße jeder Treppe, die hin und wieder einen steileren Anstieg auf dem Weg bequem überwinden ließ, bildete sich eine Schlange. Man musste anstehen um überhaupt auf die Treppe zu kommen, denn sie war aufgrund eines regen Gegenverkehrs zeitweise nicht begehbar. Als Entschädigung für fehlende Bergsteigerromantik dienten ohne jeden Zweifel die grandiosen Aussichten, die sich auf dem zwei Kilometer langen Abschnitt bis zum Gipfel vom höchsten Bergkamm des Eilands boten. »Guck mal! Ist es nicht herrlich?«, rief Angelina begeistert, als wir dem Wegweiser am Parkplatz folgend den gepflasterten Wanderweg beschritten hatten und wenige Minuten später auf die Kuppe eines Hügels hinaufgewandert waren, der den Anfang des Kamms markierte. »Ist schon beeindruckend!«, stimmte ich zu. Die Sicht auf Santana hinter dem Parkplatzhügel war frei. Wir standen höher als die Wolken, die in der Ferne über dem Ozean schwebten. Einige davon erreichten die Küste und glitten als Nebelfetzen den Hang hinauf, um einen Schlupfwinkel in einer Schlucht zu finden, wo die Sonnenstrahlen nicht an sie herankamen. Die Gipfel des Hauptgrats waren wolkenfrei, die Sonne strahlte am tiefblauen Himmel, nur hin und wieder blieb ein weißer Schleier an einer Bergspitze hängen, um sich nach einigen Minuten wieder aufzulösen. Rechts unten schmückte die rote Parkfläche vor Heidis Café den tiefer liegenden Hügel und links davon ließen sich die orangefarbenen Ziegeldächer von Santana in der grünen Vegetation des Hochplateaus ausmachen. Die Gegend hier oben glich eher einer Mondlandschaft, felsiger Untergrund gab nicht viel her, um einen Lebensraum für größere Bäume zu bieten, nur vereinzelte Sträucher entlang des Pfades freuten das Auge mit ihrem Grün mitten in der eintönigen rotbraunen Umgebung.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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