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OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 83

»Lässt du deinen Computer hier einfach stehen?«, fragte meine Frau, als sie merkte, dass ich keine Anstalten machte, das Notebook in der Tasche zu verstauen.

»Wieso? Es ist ja sonst keiner hier! Und João Paulo passt schon auf. Er weiß ja, wem er gehört. Wir sind ja nur hier hinter der Tür, auf der Terrasse.«

»Wie du meinst!«, erwiderte sie, nahm ihr Glas und eilte mir hinterher zur Tür.

Draußen nieselte und tropfte es unvermindert weiter. Kein Mensch weit und breit war zu sehen, kein Geräusch von vorbeifahrenden Autos drang durch die dichten Nebelschwaden, die alles ringsum in ein diffuses Licht tauchten und alle Konturen im Dunst verschwimmen ließen.

»Sag mal, wie hast du es noch mal geschafft, dem Portugiesen begreiflich zu machen, dass du einen Fahrplan für den Bus zum Pass brauchst?«, fragte ich Angelina, als wir ein relativ trockenes Plätzchen unter dem Dachüberhang der Terrasse gefunden hatten.

Ich erinnerte mich daran, wie sie nach unserer Levada-Nova-Tour vom Kassenhäuschen am Busbahnhof in Ribeira Brava fröhlich tänzelnd zurückkam, nachdem sie sich dort fünf Minuten lang mit jemandem unterhalten hatte. Sie hielt einen handgeschriebenen Zettel in der Hand.

»Ich habe damit keine Probleme! Du versteckst dich immer und schickst mich vor, wenn du nicht die Sprache kennst. Mir ist es egal, ich kann auch mit Händen und Füßen alles erklären.«

Das stimmte, man konnte ihr diese Fähigkeit nicht abstreiten. An dem Tag hatte sie sogar dank ihrer Gabe einen Fahrplan für Busverbindungen aufgetrieben, die gar nicht im offiziellen Aushang vorkamen. Es gab sie dort einfach nicht, ich hatte es überprüft.

»Gut hast du es gemacht, sehr gut!«, scherzte ich und drückte sie an mich mit meinem Arm, um ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. Der Zettel war in der Tat sehr wertvoll und wurde seitdem zwischen den Seiten im Wanderführer aufbewahrt.

Gelis Aufnahmen schickten uns wieder auf unsere Erinnerungsreise, sobald wir an unseren Tisch zurückgekehrt waren. Diesmal ging es zum Pass von Encumeada, von wo aus wir erst gestern einen kurzweiligen Ausflug auf dem Rundwanderweg zum Forstpark Chão dos Louros unternommen hatten. Mit dem hölzernen Wanderschild am Ausgangspunkt der Route, das den Weg nach Ribeira Grande markierte, hatte ich schon zu Anfang unseres Urlaubs geliebäugelt – es war genau die Stelle, wo ein Ehepaar seine Meinungsverschiedenheiten zum Thema Routenverlauf ausgetauscht hatte.

»Wir sind jetzt hier und müssen nach da!«, imitierte Geli die Stimme der Frau.

»Nein! Wir sind jetzt hier und müssen nach da!«, stieg ich in das Spiel ein und fuchtelte mit dem Finger in der Luft herum, als wäre ich der Mann vor der Infotafel gewesen, der seine Frau über die Wanderrichtung belehrte.

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Das Tal von São Vicente
Das Tal von São Vicente

Das nächste Foto zeigte mich vom Rücken, als ich den steilen Pfad nach unten lief. Das Laub auf dem Weg war feucht und rutschig, ich versuchte den matschigen Stellen auszuweichen und balancierte auf dem abschüssigen Steig so gut es ging. Geli hatte das Foto von der Treppe am Anfang des Pfades gemacht, als sie auf einer der Stufen aus Rundholz stehen blieb und ich mich weiter abwärts bewegte. Die Stufen selbst waren nicht mit auf das Bild gekommen, aber im Übrigen war alles sehr gut dokumentiert. Die Fotos auf dem Bildschirm erzählten ihre Geschichte weiter.

Wir wanderten eine Weile durch einen dichten vermoosten Wald. Es war eine verwunschene Welt von seltsamen Fabelwesen, die sich leider auf der Stelle im feuchten Nebel auflösten, sobald man auf sie die Kamera gerichtet hatte. Irgendein Kobold versteckte sich aber hinter jedem Baum, definitiv, man musste nur fest daran glauben.

Unerwartet öffnete sich die Sicht auf das Tal von São Vicente. Der Aussichtspunkt lag so günstig, dass man sogar den kleinen Felsen mit der Kapelle mitten in der Flussmündung erkennen konnte …

Glücklicherweise hatte Geli nicht vergessen, den Auslöser zu drücken und diesen Augenblick mit ihrem Fotoapparat einzufangen. Jetzt konnte man das Panorama noch einmal als Miniatur genießen. Das Bild bestätigte auch meine Beobachtung zur ungewöhnlichen Wetterlage der letzten Tage: Über dem Ozean riss die Wolkendecke schlagartig ab, der Himmel über der Insel blieb aber mehrfach bewölkt, wobei alle Gipfel frei von Nebel waren und nur ein leichter Dunst die Aussicht trübte. Geli blätterte zum nächsten Foto.

Alsdann waren wir zum eigentlichen Ziel der kleinen Wanderung am Vormittag hinausgekommen – zum Waldpicknickplatz Chão dos Louros. Erstaunlicherweise hatte der wie ein Erholungspark angelegte, ziemlich weitläufige Platz neben der Passstraße kaum Gefälle und war fast so flach wie eine Landebahn! Schon der Wanderführer versprach bequeme Picknicktische mit Bänken zum Sitzen und eingerichtete Grillstellen sowie an eine Wasserleitung angeschlossene sanitäre Anlagen. Es bot sich eine perfekte Gelegenheit, eine Pause einzulegen und einen Imbiss zu nehmen. Frisches Brot, ein paar Wurstscheiben und Käseaufschnitt vom Frühstück hatten wir ausreichend dabei. Es hätte auch alles wunderschön funktioniert, wenn nicht die Hochzeitsgesellschaft schon vor uns da gewesen wäre und alle Tische besetzt hätte. Anscheinend nutzte auch die einheimische Bevölkerung den Waldpark gerne bei verschiedenen Anlässen.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.996
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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