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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 68
»Du bist ein Schatz!«, sagte ich, nahm sie in den Arm und küsste auf die Wange. »Übrigens du hast recht, wir wollten wandern und keine Einkaufstour machen!«, scherzte ich weiter und riskierte gleich eine verbale Ohrfeige von meiner Frau zu bekommen. »Was … Was soll …?« »Egal. War nur so ein Gedanke«, beruhigte ich sie. Die Uferpromenade führte uns immer weiter entlang der Küste zurück zum Stadtzentrum. Überall dort, wo der Küstenabschnitt es erlaubte, war eine Badelandschaft angelegt, die mit dem Ozean allerdings nichts gemeinsam hatte, bis auf das Wasser, mit dem die Schwimmbecken der Anlage gefüllt waren. Sie waren gut besucht – entgegen meiner Annahme, denn ich konnte noch nie den Reiz eines Swimmingpools verstehen, der sich in unmittelbarer Nähe des Meeres befand und von vielen dem Gang in die schäumende Brandung vorgezogen wurde. Aber auf Madeira gab es kaum Alternativen. Die Aussicht auf den offenen Ozean war bezaubernd. Dachte man sich das schwimmende Styropor weg, war sie einfach perfekt. In der Ferne, da wo der Atlantik hinter dem Horizont verschwand, trennte ein lichter Streifen das Wasser vom Himmel. Die helle Linie erstreckte sich über die ganze Himmelsbühne von Ost nach West wie kurz vor dem Sonnenaufgang. Doch die Sonne stand hoch am Himmel und einen zweiten Stern hatte unsere Erde nicht. Ich nahm an, dass der Streifen schon immer existiert hatte als ein sichtbares Zeugnis der Lichtbrechung in der Luft, aber bewusst wurde seine permanente Anwesenheit einem erst auf hoher See, wo man bis zum Rand der wahrnehmbaren Welt sehen konnte. Das Naturschauspiel hatte mich noch eine Weile beschäftigt, ehe ich merkte, dass der Weg vorne nach links abdrehte und wieder nach oben in das Gewirr der Ferienanlagen führte. »Die Promenade ist hier zu Ende«, sagte ich etwas enttäuscht, denn ein Spaziergang entlang der Küste war allemal besser als zielloses Schlendern zwischen Verkaufsständen, das mich gleich möglicherweise erwartete. Die Gefahr bestand auf jeden Fall! »Okay, dann gehen wir zu Haltestelle und fahren weiter mit dem Hop-On-Bus«, versuchte ich meine Frau aufs Weiterfahren einzustimmen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kam. »Und wo ist die Haltestelle?« »Keine Ahnung, werden wir sehen, wenn wir auf der Hauptstraße sind. Zur Not können wir auch zurückgehen, so weit sind wir nicht weg von da, wo wir ausgestiegen sind.« »Dann könnten wir auch …« »Nein!«, unterbrach ich sie, denn ich wusste gleich, welcher Vorschlag als Nächstes gekommen wäre, drehte mich um und ging los. Geli trippelte hinterher.
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![]() Wo der Atlankik mit der Himmel verschmilzt Der Weg nach oben zur Straße bereitete mir keine Schwierigkeiten. Ich hatte mich inzwischen weitgehend von der Wanderung auf dem Königspfad erholt. Das Knie war abgeschwollen, die Beine schmerzten nicht mehr. Ich fühlte mich voller Kraft, körperlich und seelisch bereit, mich neuen Herausforderungen zu stellen. Gestern hatte ich bereits den steilen Weg vom Hotel zum Pass ohne besondere Anstrengung geschafft. Ich bemerkte sogar, dass der Aufstieg mir leichter fiel als bei unserem Erkundungsausflug am ersten Tag. Wir mussten nur eine einzige Verschnaufpause einlegen, während ich noch vor einer Woche die Strecke in vier Etappen hatte einteilen müssen, um bei klarem Verstand nach oben zu kommen. Es hatte sich eine bestimmte Routine entwickelt, das Bergwandern war zur Gewohnheit geworden. Ich wusste auf einmal genau, wie ich mich bewegen musste, um Kräfte zu sparen, oder wie ich meinen Atem steuern konnte, damit mir nicht die Puste ausging. Fit genug, um den höchsten Gipfel der Insel zu bezwingen, war ich schon, dachte ich wenigstens. Gestern Abend hatte ich vorsichtig im neuen Wanderführer nachgesehen, welche Routen für den Pico Ruivo infrage kamen. Den Pfad, der oben am Pass anfing, konnte man wohl getrost vergessen. Im Büchlein stand es in der Beschreibung schwarz auf weiß, dass diese Route besonders für konditionsstarke Wanderer geeignet war. Ich hatte keine Bedenken, dass Jean-Luke es mit hundertprozentiger Sicherheit geschafft hätte, gewisse Zweifel entstanden dagegen, wenn ich über meine Begegnungen mit dem Erlkönig nachdachte. Viel aussichtsreicher erschien die Variante »Über den Pico Ruivo zum Encumeadapass« – es war die entgegengesetzte Richtung. Die Grafik der Höhenunterschiede im Wanderführer sah vielversprechend aus: Die Kurve fing fast am höchsten Punkt an und ging mit wenigen Ausnahmen immer nach unten, bis sie am Pass bei eintausendsieben Metern ihr Ende hatte. Die Wanderroute setzte jedoch voraus, dass man zuerst zum Fuße von Pico Ruivo irgendwie kommen musste, dort gab es laut Beschreibung einen Parkplatz, zu dem eine feste Straße führte. Mit den Busverbindungen musste ich mich noch später auseinandersetzen. Man brauchte vor allen Dingen noch gutes Wetter! So ein Tag wie heute wäre passend gewesen, obwohl man nie genau wusste, wie es dort oben aussah. Wanderungen in einer trüben Suppe aus Nebel und nieselndem Regen war nicht gerade das, was mich und Angelina gereizt hätte. Verfolgen der Wettervorhersagen war angesagt.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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