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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 65
»Hallo?«, unterbrach Gelis Stimme meine Gedanken. »Bist du noch da? Du hörst mich gar nicht!« »Bist du schon fertig? Gott sei Dank! Ich mag diese Kirche nicht«, gestand ich, nachdem ich mich auf ihre Stimme umgedreht hatte. Ich trank das Bier mit einem Schluck zu Ende. Sie setzte sich auf einen freien Stuhl und meinte: »Ja, nichts Besonderes aber der Altar …« »Ich verstehe … Er ist schön und alles glänzt wie in einem Märchen.« »Nein, aber …« »Wolltest du nicht eine Rundfahrt machen?« »Schon, aber ich sehe keine Haltestelle!« »Dann lass uns weitergehen, deine Information muss schon hier irgendwo in der Nähe sein. Hop-On Hop-Off City Sightseeing.« Ich erinnerte mich an die Aufschrift an der Seite des Busses. »Vielleicht können wir gleich hier einsteigen? Komm, gehen wir zur Straße, er wird hier bestimmt durchfahren!«, drängte Angelina mich dazu, die Zigarette auszudrücken und aufzustehen. »Ich glaub nicht, dass er hier hält«, äußerte ich meine Zweifel, als wir an der Fahrbahn standen und weit und breit kein Bus in Sicht war. »Und wo? Irgendwo muss doch ein Haltepunkt sein!« »Bestimmt. Aber nicht hier. Ist doch egal, lass uns jetzt zur Info gehen, dann wissen wir mehr. Es muss hier in der Nähe sein.« Wir spazierten eine breite Fußgängerallee entlang, die am Kirchplatz anfing und zwei Drittel der großzügig angelegten Straße ausmachte. Nur eine einzige Fahrspur säumte ihren rechten Rand, obwohl die Fahrbahn von beiden Seiten noch jeweils einen Standstreifen hatte, um den Autos eine Parkmöglichkeit zu bieten. Rechts reihten sich schöne Fassaden aus der Kolonialzeit aneinander, die sich im landesüblichen Schwarzweiß sehr eindrucksvoll präsentierten. Es musste früher eine ganz wichtige Straße in Funchal gewesen sein, die Gebäude sahen hochoffiziell aus und ließen sofort an ein Regierungs- oder Verwaltungsviertel der Stadt denken. Mir gefiel die Allee. Es gab kaum Geschäfte, wo sich Geli für Angebote hätte interessieren können. Ein paar Cafés wechselten sich mit Shops ab, die nur feinste Markenware anboten und eigenartige Vorstellungen von Preisen hatten. Astronomische Zahlen auf den Preisschildern im Schaufenster wirkten sich nicht gerade fördernd auf Besucherzahlen aus, sodass auch meine Frau nur ein sehr schwaches Interesse an den Tag legte, in eines der Geschäfte hineinzugehen. Wir liefen bis zur nächsten Kreuzung und fanden uns auf einem kleineren Platz wieder, wo uns ein gewisser Herr João Gonçalves Zarco von seinem Sockel begrüßte. Der steinerne Mann sah verträumt, aber auch in gewissem Maße Furcht gebietend, auf den Ozean hinaus, der an dieser Stelle zwischen den Häusern in der Ferne zu sehen war. Es stellte sich heraus, dass das Denkmal den Entdecker des Madeiraarchipels und Gründer der Stadt Funchal darstellte. Er wachte über seine Stadt und hielt Ausschau nach Piraten, die den Insulanern enormen Schaden zufügen konnten. Gegen sie hätte er die Insel mit allen Mitteln verteidigt, obwohl er selbst vermutlich nichts anderes gewesen war als ein mit allen Wassern gewaschener Pirat. Es war eine reine Auslegungssache: Jemand, der auf eigene Faust die Meere durchkreuzte, Inseln plünderte und Schiffe enterte, um Beute zu machen, wurde als übler Pirat beschimpft, übte man jedoch denselben Beruf im Dienste der portugiesischen Krone aus, konnte man glatt als Entdecker durchgehen. Ihre Reisen verdienten alle gebührende Ehre, aber an edle Beweggründe der Seefahrer des fünfzehnten Jahrhunderts glaubte ich kaum.
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![]() Imposanate Gebäude in Funchal Was meine Aufmerksamkeit aber augenblicklich mehr beschäftigte als João Gonçalves Zarco, war ein imposantes Gebäude, das sich hinter dem Denkmal auf der anderen Seite der Kreuzung befand. Hinter dem Rücken des Gründers von Funchal ragte die Spitze einer rotgeziegelten sechsseitigen Pyramide in den Himmel, die als Abschluss eines turmartigen Hauptportals auf der Straßenecke diente, über dem eine stolze Überschrift stand: Banco de Portugal. Dass die Bank von Portugal immer noch hier ihren Sitz hatte, wagte ich zu bezweifeln, aber das Haus frequentierten ganz viele Herren in schneeweißen Businesshemden mit sündhaft teuer aussehenden Krawatten um den Hals, sodass ich annahm, zumindest eine vergleichbare Institution hatte die Geschäftsräume in der Zwischenzeit bezogen. Mir fiel erst jetzt auf, dass so eine Pyramide jeden Kirchturm und jedes Haus auf der Insel zierte, das sich nach dem Willen des Architekten von der Umgebung abheben sollte. Hatte ich solche Pyramiden nicht schon in São Vicente gesehen? Doch, gewiss! Der Kirchturm dort hatte eindeutig auch eine. Ich erinnerte mich, wie die Kirche in Ribeira Brava heute Morgen ausgesehen hatte, – sie hatte ebenfalls eine kleine Pyramide oben auf dem Turm. Keine lang gezogene Turmspitze, die weit in den Himmel hinausragte, wie es in Mitteleuropa üblich war, sondern eine kleine Pyramide als Abschluss. Ich drehte mich um und schaute zurück zu der Kathedrale aus der Entfernung. Sie hatte auch eine! Sie sah aber nicht so schön aus wie die auf dem Bankgebäude. Sie war nur vierseitig. Vielleicht waren sie mir deswegen bis jetzt nicht aufgefallen, aber sie gehörten auf jeden Fall zu den typischen Merkmalen der Architektur auf der Insel, möglicherweise auch grundsätzlich zum portugiesischen Kolonialstil.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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