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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 51
Ich sah mir den Fahrplan noch einmal an, alles war korrekt, der Bus fuhr um Viertel nach drei ab. Wir hatten noch zwei Stunden – genug Zeit, um zu essen und einzukaufen. Die Altstadt war uns vertraut und wir hatten keine Mühe, gleich den richtigen Weg zum Kirchplatz zu finden. Allerdings hatte sich seit dem Vormittag etwas geändert! Straßen und Gässchen, die auch vorhin schon kaum Lebenszeichen von sich gegeben hatten, waren jetzt wie ausgestorben. Es fehlte nur heulender Wind, der den Staub über die Straße wirbelte, und ein vertrockneter Strauch, der über den menschenleeren Dorfplatz rollte. Ich bekam gleich ein ungutes Gefühl, als ich zum Supermarkt hinübersah. Die Türen waren verriegelt und die Fensterläden geschlossen. »Verdammte Scheiße!«, fluchte ich verärgert über meine eigene Dummheit. »Siesta! Verstehst du? Die Leute machen hier Siesta!« Ich hätte es doch wissen müssen, nachdem ich schon so oft damit im Mittelmeerraum Pech gehabt hatte. In kleinen südeuropäischen Städtchen lief nichts von zwölf bis vier Uhr nachmittags, man bekam auch kein Essen in Restaurants, denn Siesta war heilig! »Ja, hättest du auf mich gehört, hättest du jetzt eine Flasche Scotch in deinem Rucksack …«, bemerkte meine Frau schadenfroh. »Ja! Hätte ich bloß auf sie gehört, verflucht!«, dachte ich mir im Stillen. Man konnte es nicht ändern – Siesta war Siesta! Es bestand noch die Hoffnung, dass mindestens ein Restaurant in ganz São Vicente aufhatte, denn irgendwie mussten die Einwohner doch ihr Geld verdienen, Touristen schlenderten ja nur am frühen Nachmittag durch die Altstadt. Die Etablissements auf dem Kirchplatz hatten auf. Es saßen auch wesentlich mehr Gäste draußen an den Tischen als am Vormittag und die Kellner hatten alle Hände voll zu tun. Einige Gäste, glaubte ich, heute schon einmal an den Grotten gesehen zu haben. Es war gut möglich, dass wir nicht die Einzigen waren, die sich die Zeit bis zum Bus um die Ohren schlagen mussten. Wir fanden leider keinen freien Tisch, der im Schatten eines Schirms stand, und das Mittagessen in der prallen Sonne zu genießen, war nicht unsere Absicht. In einer kleinen Gasse fand sich aber endlich ein passendes Lokal. Es befand sich etwas abseits, das Haus stand um zehn Meter tiefer als der Rest der Gebäude in der Reihe und den Platz vor dem Eingang überspannte eine Plane, die für Schatten über den Tischen in der Fassadennische sorgte. Es war perfekt, zumal auch zahlreiche Tagesgerichte auf einem Straßenaufsteller mit bezahlbaren Preisen sehr einladend wirkten.
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![]() Kirchplatz von São Vicente Wir fanden schnell einen freien Tisch und studierten die Speisekarte, während sich zahlreiche Gäste an den benachbarten Tischen mit ihrem Essen beschäftigten. Es fiel mir auf, dass viele mit großem Appetit eine Suppe löffelten und dazu leckeres Weißbrot hatten, das sie mit verschiedenen Sorten Aufstrich beschmierten und genüsslich in den Mund beförderten. Die Portionen sahen ungewöhnlich groß aus – zumindest für eine Vorspeise etwas üppig. Ich sah in der Karte nach. Es gab eine Reihe von Suppen. Mich interessierte vor allem die Fischsuppe. Was manche nicht ausstehen konnten, aß ich zuweilen ganz gerne! »Ich nehme eine Fischsuppe«, meinte Geli, als ob sie meine Gedanken mitgedacht hatte. »Ich auch und noch dieses Brot!« Das Brot stand in der Speisekarte separat als Vorspeise aufgeführt. Dazu gab es eine Auswahl von exotischen Aufstrichen, darunter aber auch ganz normale Butter. Der Kellner eilte herbei. »Would you like to make you order please?«, fragte er, ob wir schon bestellen wollten. »Yes, we would, Sir! We would like fish soup and a basket of bread for two«, bestellte ich unser Mittagessen: Zwei Teller Fischsuppe und einen Korb Brot. Bei der Größe der Schüsseln, in denen Suppe serviert wurde, konnte man auf das Hauptgericht verzichten, es wäre vermutlich nur zu einem Viertel gegessen stehen geblieben. Man sollte nicht verschwenderisch sein und nur so viel bestellen, wie man essen konnte. »What would you like to drink?«, fragte der Kellner nach den Getränken. »A large beer for me please!«, orderte ich für mich ein großes Bier. Ich schaute Angelina fragend an, damit sie ihr Getränk bestellte. Sie konnte kein Englisch, aber das Wort »beer« musste sie verstanden haben. »Ja, ein Bier. Für mich auch!«, traf sie ihre Wahl. Der Kellner entfernte sich, um die Order in die Gänge zu leiten. Indessen wurde es immer voller im Lokal. Verwirrte Touristen wanderten unbeholfen in der Stadt herum und suchten verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Zeit bis zum Bus möglichst sinnvoll zu verbringen. Die Auswahl an sinnvollen Beschäftigungen war momentan nicht besonders groß und sie machten gerne Station an diesem schattigen Plätzchen, während sie die Straße lang flanierten und auf einmal einen Laden sahen, wo etwas los war. Die meisten bestellten nur Getränke und setzten dann ihren Stadtrundgang fort, aber immerhin: Sie waren ihrem Ziel zwanzig Minuten näher als zuvor. Doch es gab auch welche, die ebenfalls Hunger nach der Grottenbesichtigung hatten. Vor allen Dingen Familien mit Kindern erfreuten sich üppiger Pommesportionen und vertilgten restlos die zugehörigen Burger in Minutenschnelle, ohne nachzutrinken.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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