|
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 48
»Den Whisky können wir auch gleich kaufen«, erwiderte sie und wandte sich dem Regal mit den Keksen zu. »Nee, lass uns später mal richtig einkaufen. Whisky, Madeirawein, Knabberzeug, vielleicht ein bisschen Wurst – keine Ahnung, wir haben nichts zu Hause! Ich hätte auch keine Lust, das Ganze mit mir im Rucksack herumzuschleppen.« »Okay, machen wir es so.« Wir verließen den Laden, schlenderten noch ein wenig herum und wussten am Ende immer noch nicht, wo diese Grotten waren. »Wir laufen hier schon eine halbe Stunde! Lass uns zurück zur Haltestelle auf der Hauptstraße gehen. Da muss doch irgendein Verkehrsschild hängen!«, fing ich an, mich aufzuregen. Auch nach einer weiteren halben Stunde hatten wir immer noch keine richtungsweisenden Pfeile oder Schilder entdeckt, die uns zum Eingang in das unterirdische Reich führen konnten. In der Hoffnung, die Grotten irgendwo an der schroffen Felswand am rechten Ufer von Ribeira de São Vicente zu finden, spazierten wir letztlich die Uferpromenade am Fluss entlang, bis wir die Mündung erreichten. Dort querte eine schöne blaue Hängebrücke den Wasserlauf, die schon zu der Ringstraße der Insel gehörte, das Städtchen hatten wir längst hinter uns gelassen. Dahinter wälzte der Ozean seine schweren, schäumenden Wogen, die gegen menschengroße kantige Steine auf dem Strand donnerten und sich in Gischt auflösten. Mitten in der Mündung erhob sich ein markanter Felsen mit einem Kreuz auf dem Gipfel, der eine kleine Kapelle auf der dem Land zugewandten Seite beherbergte. Etwas kam mir seltsam vor: Einerseits versteckte man sich hinter einem Berg vor Piraten, andererseits setzte man ein Kreuz auf einen Felsen direkt an der Küste. Hatten die Leute gedacht, dass das Kreuz die Piraten mit seiner magischen Kraft abgeschreckt hätte? Wohl kaum, es hätte sie eher wie ein Magnet angezogen! Aber wer wusste schon, was sich die Leute dabei gedacht hatten. Aus reiner Neugier gingen wir über die Brücke und nahmen einen seitlichen Pfad entlang der Küste, der uns zum ehemaligen Badebereich eines verlassenen Hotels führte. In östlicher Richtung zog sich eine ganze Reihe von stillgelegten Hotelanlagen entlang der Ringstraße. Etwas hatte hier wohl nicht funktioniert mit den Badegästen, denn diesen Ort benutzte seit vielen Jahren kein Mensch mehr zum Baden. Die Zugänge zu den Naturbecken am Strand waren von der mächtigen Brandung zertrümmert, Algen und kleine ungesund aussehende Krebstierchen hatten bereits das höher liegende große Schwimmbecken besiedelt, das den Mittelpunkt der ganzen Badelandschaft bildete, wo sich die Gäste früher auf den Liegen gesonnt hatten und zur Abkühlung mal eine Runde schwimmen gegangen waren. Heute schwammen dort nur Reste alter Plastiktüten zwischen nackten, grauen Betonwänden. Durch die Anlage gezogene Ziermauern waren mit der Zeit abgebröckelt und fletschten einem ihre verrosteten Armierungsstäbe entgegen wie ein Hai sein dreireihiges Gebiss.
(?)
![]() Hängebrücke und der markante Felsen mit Kreuz »Schade, dass ich keinen Badeanzug mitgenommen habe«, sagte Geli. »Ich würde hier mal gerne schwimmen gehen. Vielleicht geht es auch so? Hier ist ja keiner!« Ich sah sie verdutzt an. »Was willst du, dir eine Cholerainfektion einfangen?« »Wieso? Es ist doch ein Naturbecken mit Meerwasser!«, erwiderte sie und konnte offenbar immer noch nicht verstehen, welche Gefahr diese Brutstätte von Keimen und Bakterien barg. »Bist du verrückt?«, fragte ich verärgert. »Los, gehen wir! Wir sind jetzt hier und müssen nach da!« Ich verlieh meinen Worten noch mehr Gewicht, indem ich meinen Zeigefinger auf die Hängebrücke richtete und zu verstehen gab, der Ausflug war beendet, wir mussten weiter nach den Grotten suchen. Auf dem Rückweg zur Brücke merkte ich, dass sich an der Ringstraße in westlicher Richtung zahlreiche Buden, Snackbars, Restaurants und Shops aneinanderreihten. Es war voll wie auf einem Rummelplatz! Etliche Reisende parkten entlang der Straße und liefen auf und ab von einem Geschäft zum anderen. Ein Besuch der kleinen Rastanlage lohnte sich und wir begaben uns über die Brücke zur Kreuzung, über die ein Zebrastreifen zu dem kleinen Marktplatz führte. Den gegenüberliegenden Bürgersteig hatten wir noch nicht erreicht, als ich wie angewurzelt stehen blieb. Grutas – Caves – Grotten! War es nicht das, wonach wir die ganze Zeit gesucht hatten? Centro de vulcanismo – ich las weiter den Text des Wegweisers auf der anderen Straßenseite. Ja, es war genau das, stellte ich fest, als mich noch ein dazu gemaltes Piktogramm mit einem Männlein, das munter in einer Höhle wanderte, endgültig überzeugte! »Hier sind also die Schilder!«, bemerkte ich erleichtert. Der Pfeil auf dem Wegweiser zeigte zurück in die Stadt. »Wer es nicht im Kopf hat, der hat's in den Beinen! Wir hätten von Anfang an auf der Hauptstraße bleiben sollen. Aber nein! Wir wollten auf der schönen Promenade flanieren.« »Macht nichts!«, antwortete Geli voller Optimismus. »Dafür wissen wir jetzt genau, es gibt hier keine Strände.« »Zumindest keine, wo man ins Wasser gehen könnte!«, pflichtete ich ihr bei und eilte zum Bürgersteig, denn wir standen immer noch mitten auf der Straße. »Pass auf!«, machte ich meine Frau aufmerksam auf ein Auto, das gerade von der Ringstraße in unsere Richtung abbog. Sie folgte meinem Beispiel.
|
Diese Seite weiterempfehlen»Link an Freunde senden
KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
Zahlen & Daten zum Werk
![]() Ihre Spende ist willkommen!Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank! Diese Seite weiterempfehlen»Link an Freunde senden |
||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||




