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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 47
»Sie sind irgendwo hier!«, gab sie mir zur Antwort. Sie sah konzentriert aus einer Richtung in die andere auf der Suche nach einem kleinen Schildchen oder einem Pfeil an einer Kreuzung, der Touristen zu der Hauptattraktion des Ortes lotsen sollte. Es gab kein Schildchen und es gab auch keinen Pfeil. »Ja, ich weiß. Den Reiseführer habe ich auch gelesen. Lass uns dann in die Stadt reingehen, vielleicht kann man da was erfahren!«, schlug ich vor. »Und wo sind wir jetzt?« »Ich meine, in die Altstadt«, sagte ich, nachdem wir uns schon ein Stückchen von der Haltestelle entfernt hatten. »Jetzt sind wir keine Ahnung wo! Ich glaube, diese Hauptstraße führt um den Ort herum.« Ich deutete auf das Viertel mit weiß gestrichenen zweistöckigen Häusern, hinter denen ein Kirchturm emporragte. »Da, wo der Turm über den Häusern zu sehen ist. Da muss das Stadtzentrum sein. Du weißt doch, wie es bei den Portugiesen und Spaniern war in alten Zeiten. Zuerst musste eine Kirche her und dann wurden drum herum Häuser gebaut. Es waren doch alles große Missionare, die die Welt zum Christentum bekehren wollten. Keine Hose zum Anziehen, dafür aber eine Kirche im Dorf!« »Ja! Komm, wir gehen in die Kirche rein. Sie sieht bestimmt schön aus.« »Bestimmt. Wollten wir nicht nach den Grotten gucken?«, fragte ich über die Schulter, während wir eine mit Steinen gepflasterte Gasse betraten, die von schönen Häuserfassaden aus der Kolonialzeit gesäumt war, bekam aber keine Antwort. Es war nicht viel los in der Fußgängerzone. Es schien auch ein ganz normales Wohnviertel zu sein, denn es gab kaum Geschäfte in den Gässchen, im Gegensatz dazu, wie man es von einer historischen Stadtmitte in einem für Touristen erschlossenen Ort hätte erwarten können. Hier und da sah man einen kleinen Souvenirladen, ab und zu musste man einen Bogen um die Tische eines Eiscafés auf der Straße machen, hin und wieder traf man auch auf Touristen, die wahrscheinlich ähnlich wie wir nach dem Weg zu den Lavagrotten suchten. Es gab einfach keine Wegweiser.
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![]() Kirche von São Vicente Auf dem Kirchplatz herrschte dieselbe Stimmung. Es gab zwar ein paar Cafés und Restaurants, aber die Kellner langweilten sich überwiegend am Lokaleingang. Leute, die sich auf dem Platz befanden, konnte man an den Fingern abzählen. Geli verschwand hinter der Kirchentür, um im Inneren Fotos zu machen. Sie besichtigte grundsätzlich jede Kirche und jede Kapelle, egal in welchem Teil der Welt. Gegen Besichtigungen von Bauwerken von großer architektonischer Meisterleistung hatte ich auch nichts, das hier war aber keins davon, nur eine Dorfkirche – die Einwohner von São Vicente mochten es mir nicht übel nehmen! Was sie daran so faszinierend fand, verstand ich nicht so richtig, aber jeder hatte seine Macken und ich akzeptierte es. Während ich auf einer Bank saß und Tauben auf dem Kirchplatz zählte, machte ich eine viel nützlichere Entdeckung: In einer Seitenstraße sah ich ein Geschäft, die Türen standen weit offen und alle paar Minuten kamen Leute mit gefüllten Einkaufstüten heraus. Es musste ein Supermarkt sein. Eine Besichtigung lohnte sich auf jeden Fall, denn unsere Vorräte waren innerhalb der zwei Ruhetage im Hotel aufgebraucht. Wir hatten weder Madeirawein noch Whisky auf dem Zimmer. Eine Flasche schottischen Zaubertranks reiste immer im Koffer mit, in jeden Urlaub. Sich mit teuren Getränken an einer Hotelbar zu vergnügen, war eine kostspielige Angelegenheit, daher war es praktischer, einen Vorrat auf dem Zimmer zu haben, um die Stimmung nach einem »schweren Wandertag« aufzuheitern. Und Madeirawein war jetzt ein Muss! »Hast du jetzt endlich jede Ecke fotografiert?«, fragte ich meine Frau, nachdem sie wieder aus der Kirche herausgekommen war. »Ja. Es ist so schön da drin! Alles ist vergoldet und glänzt in der Sonne!« »Ich habe keine Bedenken. Wir sollten jetzt vielleicht nachsehen, ob wir auch eine glänzende Flasche Scotch finden!« Ich zeigte auf den Laden in der Seitenstraße. »Was ist da?«, fragte sie interessiert. Meine Frau war immer interessiert, wenn es darum ging, in ein Geschäft hineinzugehen, auch wenn sie sich von der Ware nicht im Geringsten angesprochen fühlte. »Das werden wir gleich herausfinden!« Ich stand auf von der Bank und wir bummelten über das Kopfsteinpflaster zu dem vielversprechenden Shop an der Ecke. Es war das richtige Geschäft. Man konnte es vielleicht nicht direkt als einen Supermarkt bezeichnen, aber Südeuropäer hatten ihre eigenen Vorstellungen von der Bedeutung dieses Wortes. Jeder Kiosk, wo man neben Zeitschriften auch noch kalte Getränke und tiefgefrorene Hähnchen aus der Gefriertruhe verkaufte, hieß in Spanien Supermercado, auf der Insel Madeira möglicherweise auch. Es war eher ein größeres Privatgeschäft, das allerhand Waren im Angebot hatte. Es erstreckte sich über das ganze Erdgeschoss und vielleicht noch über die Hälfte des angrenzenden Hauses. Die Regale waren gut gefüllt, überall standen irgendwelche Sonderangebote, so weit das Auge reichte. »Hier müssen wir nachher noch mal rein!«, meinte ich, während Geli eine Flasche Whisky zurück ins Regal stellte, die sie begutachtet hatte.
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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