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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 4

* * *

Der Parkplatz vor dem Hotel war menschenleer, im vorderen Bereich rund um den Eingang waren aber zehn bis fünfzehn Autos geparkt. Es mussten wohl die Mietwagen von den Gästen sein, dachte ich. Erstaunlicherweise hatte der Parkplatz, wenn überhaupt, kaum Gefälle, im Gegensatz zu allem, was uns umgab. Die Straße führte in einem atemberaubenden Winkel zum Pass weiter oben. Begab man sich auf die Fahrbahn, entstand gleich ein leichtes Schwindelgefühl, wenn man zurück zum Parkplatz blickte, der seinerseits plötzlich in eine schiefe Lage zu geraten schien. Der menschliche Gleichgewichtssinn musste sich noch an diese schrägen Zustände etwas gewöhnen.

»Komm, rauchen wir noch eine«, schlug ich vor und klickte mit dem Feuerzeug. »In das Zimmer können wir eher nicht vor zwölf Uhr, denke ich!«

Angelina zündete sich auch eine Zigarette an und machte ein paar kräftige Züge. Es war die zweite Zigarette, seitdem wir unsere letzte vor sechs Stunden im Raucherkämmerlein im Frankfurter Flughafen geraucht hatten. Die Zigarette nach der Landung in Funchal hätte man gleich wieder vergessen können, sie war zwischen Kofferschleppen und Transferbussuchen auf dem Parkplatz verglimmt. Das Nikotin zeigte seine Wirkung und munterte uns nach der schlaflosen Nacht etwas auf. Wir waren nun seit gut zwölf Stunden unterwegs und konnten endlich erleichtert über den Stress und die Strapazen der Reise lachen!

»… Ihre Gitarre, Ihre Gitarre!«, äffte meine Frau eine Mitarbeiterin des Flughafens nach, die uns am Check-In-Schalter und beim Boarding zielstrebig durch alle Wunder ihres Regelwerks geführt hatte.

»Und was hast du jetzt davon, dass ich die Gitarre mitgenommen habe?«, fragte ich Geli und erinnerte mich an unser Flughafenabenteuer:

 

… Vermutlich war das übermäßig geschminkte schlanke Fräulein noch am Anfang ihrer Ausbildung, denn alles, was sie machte, ging mit beneidenswerter Kontinuität daneben. Der Höhepunkt der Tragikomödie bestand darin, dass die arme Frau offensichtlich felsenfest davon überzeugt war, alles richtig zu machen. Sie kam sich dabei äußerst wichtig vor, schließlich musste sie eine wichtige Aufgabe nach einer Vorschrift erledigen, die sie gut gelernt hatte. Nur die Fluggäste nervten sie bei der Ausübung des Amtes mit ihrer Uneinsichtigkeit für die scheinbar ganz einfachen Regeln. Was diese Regeln für den Fall vorsahen, falls sie ein Flugzeug mit dem Zielflughafen Funchal mit Passagieren nach Palma de Mallorca besetzte, war ein Betriebsgeheimnis geblieben. Es musste aber etwas dringestanden haben, denn ich sah später durch das Fenster, wie das Mädchen aufgescheucht hin und her auf dem Rollfeld lief und die Fluggäste im Shuttlebus fachgerecht nach Zielflughafen sortierte. Ich hatte eine leise Vermutung, dass der Grund für ihre Verwirrung auch möglicherweise meine Gitarre sein konnte!

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Parkplatz vor dem Hotel
Parkplatz vor dem Hotel

Das Drama hatte seinen Lauf bereits beim Einchecken am Tresen der Gepäckaufgabe genommen. Als wir nach einer anstrengenden Fahrt in einem Bahnwagen, wo die Fahrgäste dicht gedrängt wie Sardinen in der Büchse beieinandergestanden hatten, endlich das Terminal des Flughafens erreichten, war das Einchecken für unseren Flug schon in vollem Gange. Wir reihten uns brav in die Schlange vor dem Schalter ein, während das fleißige Lehrmädchen ihre Amtshandlungen vollführte. Hinter einem Bildschirm saß vorsichtshalber noch eine reguläre Mitarbeiterin und gab ihr halblaut irgendwelche Anweisungen. Das Thema der heutigen Unterweisung lautete offenbar Einchecken und Boarding. Der versteinerte und hochoffizielle Gesichtsausdruck der jungen Frau ließ keine Widerreden zu, wenn es darum ging, die Gäste daran zu hindern, einen Koffer mit Übergewicht an Bord zu schmuggeln. Sie übte sich gerade geschäftig im Anbringen von Papierschlaufen an die Gepäckstücke, ihren Adleraugen entging aber nicht der vorschriftswidrige Umstand, dass unsere Koffer ein Kilogramm und fünfhundert Gramm zu viel auf die Waage brachten. Angelina musste ja aber auch so eine Angewohnheit haben, die Koffer bis zum Rand vollzumachen, – ungeachtet der Tatsache, dass wir schon mehrmals all unsere Kleider, Pullover und Socken im Flughafen auf dem Boden hatten ausbreiten und umpacken müssen. Es war schon immer so gewesen und hätte sich voraussichtlich auch nicht in der Zukunft geändert, bis dass der Tod uns schied.

»Sie müssen etwas herausnehmen oder eine Gebühr für das Übergewicht bezahlen. So kann ich ihre Koffer nicht durchlassen!«, sagte die junge Dame mit großer Entschlossenheit. »Die Kasse ist dort!«, fügte sie kurz hinzu, zeigte die Richtung und starrte uns auffordernd mit ihren ausdrucksvollen braunen Augen an.

Sie war richtig in Fahrt gekommen! Jetzt hatte sie jemanden, dem sie ihre Wichtigkeit zeigen konnte. Da Einwände oder Aufrufe zum gesunden Menschenverstand aus Erfahrung sinnlos waren, räumten wir die überschüssigen Kilos in unser Handgepäck um, ohne große Proteste, denn ich hatte noch meinen wichtigsten Trumpf in der Hand und ahnte schon, dass er gleich zur Hauptattraktion werden sollte.

»Entschuldigung«, meinte ich und holte meinen Gitarrenkoffer hinter dem Tresen heraus, damit die verantwortungsbewusste Auszubildende ihn in voller Größe ihrem prüfenden Blick unterwerfen konnte. »Könnte ich das hier mit in die Kabine nehmen? Bitte.«

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 2
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 6.750
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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