Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 124

»Olá!« Ich beschränkte mich auf eine Begrüßung und hielt mich zurück mit meinen Ratschlägen.

»Olá!«, grüßte einer der Arbeiter zurück, während er für uns Platz auf der Betonschulter machte. Sein Kollege stand knietief in der Rinne und hantierte mit seinem Spaten.

Seine Lordschaft tat uns heute nicht den Gefallen, ihn noch einmal sehen zu dürfen. Er und seine Dame waren nicht anwesend und der Platz am Wasserfall sah verwaist aus, als wir vorbeimarschierten und alsdann im dunklen Inneren des Tunnels verschwanden, aber die Hortensien blühten mit alter Schönheit rund um den Tümpel. Die alte Lady zwischen den Blumen konnte man sich hinzudenken, wenn man wollte.

Obgleich mir die Beschaffenheit der Tunnelwände bestens bekannt war und ich immer auf einen sicheren Abstand geachtet hatte, um mir nicht den Kopf am niedrigen Gewölbe blutig zu schlagen oder die Schulter an den scharfen Steinkanten ernsthaft zu verletzen, blieb ich heute mit dem Ellbogen an der Felswand hängen.

»Verdammt!«, fluchte ich, als ich den Zustand der Verletzung untersuchte, nachdem wir am anderen Ende nach draußen hinausgekommen waren. »Dass sie aber auch keine breiteren Tunnel bauen können!«

»Was ist los?«, fragte Geli.

»Das ist los!« Ich hielt meinen Arm hoch, vom Ärmel hingen Stofffetzen herunter. »Das Hemd ist hin, aber sonst ist es nur eine Schürfwunde.«

Die Steine waren tatsächlich rasiermesserscharf! Der Eindruck, dass sie, wenn auch nicht ganz harmlos waren, dann aber wiederum nicht so extrem gefährlich, war sehr trügerisch. Als Beweis diente mein zerfetztes Hemd. Noch ein kleines Stückchen näher an die Wand und mein Arm wäre ebenfalls aufgeschlitzt worden.

Die Wunde beschäftigte mich noch eine Zeit lang, nachdem wir unsere Wanderung fortgesetzt hatten, und erinnerte mich in jedem weiteren Tunnel daran, dass ich gefälligst den Kopf einzuziehen hatte und die Gliedmaßen am besten dicht am Körper hielt, wenn ich hier noch heil herauskommen wollte. Vom brennenden Schmerz, der hauptsächlich durch den Schweiß auf der Wunde verursacht wurde, lenkte mich der Wegweiser nach Caramujo ab. Der Wanderpfad kreuzte unseren Weg. Während unserer ersten Wanderung hatte ich dem Richtungspfeil am Levadarand keine große Bedeutung beigemessen, es war einfach ein hölzerner Wegweiser wie hundert andere auf dieser Insel. Doch mittlerweile hatte ich erfahren, wo der Pfad anfing und wohin er führte. Von oben hatte ich seinen Verlauf genauestens sehen können, in der Nacht, in der ich Flugübungen über der Insel absolviert hatte. Er führte aus dem Tal von São Vicente in halsbrecherischem Zickzack auf die Hochebene. Er wäre eine perfekte Gelegenheit gewesen, nach oben zu Paul da Serra aufzusteigen. Doch ein unangenehmes beklemmendes Gefühl machte sich breit in meiner Brust, als ich nur daran dachte, diesen Weg zu beschreiten.

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Wegweiser nach Caramujo
Wegweiser nach Caramujo

»Wohin geht es hier?«, fragte Geli ahnungslos, während wir kurz anhielten und nach unten sahen, wo sich der Pfad im Dickicht des Unterholzes auf dem Hang verlor.

»Ich weiß nicht«, hielt ich die Wahrheit zurück. »Nach Caramujo, wie du siehst!«

»Vielleicht kann man hier nach oben gehen?« Sie richtete ihren Blick auf die gegenüberliegende Seite der Levada, wo ein Stückchen weiter der Pfad am Hang hinaufführte. »Oben kommen wir auf die Hochebene hinaus! Wir wollten es ja!«

Sie ahnte es auch. Der Pfad endete dort, auf dem Plateau. Dort, wo ich in der Luft diese unsichtbare Grenze ins Irgendwohin aus dem Nirgendwoher mit einem Knall durchbrochen hatte. Ich wollte es nicht noch einmal erleben.

Ich log zum zweiten Mal: »Keine Ahnung, ob der Pfad zum Plateau geht! Außerdem ist er viel zu steil, ich weiß es, glaub mir.«

»Und woher weißt du es?«, hinterfragte sie.

Ich biss mir auf die Lippen! Um ein Haar hätte ich mich selbst verraten, ich Idiot. Ich musste doch aufpassen, was ich sagte. Wie sollte ich meiner Frau die Flugstunden über der Insel erklären? Etwa so, dass mich eines Nachts der Briefträger besucht und auf eine Flugreise mitgenommen hatte? Dass in jener Nacht etwas passiert war, stand für mich fest. Zu viele Details waren mir bekannt, die ich nur während des nächtlichen Ausfluges in Erfahrung hätte bringen können. Ich war sonst noch nie da gewesen, an den Orten, die ich auf einmal so gut kannte. Ich wusste über die Ruine mit dem Torbogen Bescheid, es gab sie wirklich, ich hatte gestern im Internet nachgeschlagen. Aber ich hatte sie noch nie zuvor in meinem Leben gesehen, nur in dem Traum, oder was auch immer es gewesen war. Ich konnte das Ganze nicht mal mir selbst erklären, geschweige denn anderen Menschen begreiflich machen.

»Es ist nur so ein Gefühl!«, versuchte ich die unangenehme Situation zu überspielen. »Außerdem, wir wollten den Anfang der Levada finden und vielleicht einen Blick auf die Hochebene werfen, wenn sich dort eine Möglichkeit bietet. Oder?«

»Und was ist, wenn …«, fing Geli mit ihrer nächsten Frage an.

»Gar nichts!«, unterbrach ich sie. »Wir sind jetzt hier und müssen nach da!«

| Seite 124 von 145 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF Dokument: Format A5, 340 Seiten, Dateigröße 2.461 KB, Ausgeführte Dowloads 54, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
6,99 € N/A
Das Geheimnis des vernebelten Passes
EPUB
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 1.033 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 41, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
6,99 € »Epubli Verlag
Das Geheimnis des vernebelten Passes Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
15,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 12.013
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen