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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 117
Er sah mich fragend an und richtete seinen Hilfe suchenden Blick auf einen der beiden Männer, die ebenfalls an der Theke saßen, Madeirawein tranken und unser Gespräch mithörten. Mit vereinten Kräften versuchten sie herauszubekommen, was ich denn genau von ihnen wissen wollte. Die beiden verstanden offensichtlich nur ein paar Brocken auf Englisch und führten eine Zeit lang ein lebhaftes Gespräch über den Sinn meiner Frage, von dem ich meinerseits kein einziges Wort verstand. »Your beer!« Der Gastwirt stellte die Gläser vor uns auf die Theke und sah einen der zwei Diskussionsteilnehmer an, als ob er ihm die Wortführung überlassen wollte. »Äää …«, fing der Mann an der Theke zögernd seinen Satz an, »… you go … to sea … to mercado. … understand?« So viel war klar, wir sollten in Richtung Meer gehen. Aber zum Mercado wollten wir eigentlich nicht, überlegte ich. Irgendwas mussten die beiden falsch verstanden haben. »We are looking for a supermarket to buy some food! No fruits«, artikulierte ich so deutlich und langsam, wie es nur möglich war, und betonte jedes Wort meines Satzes, der darauf hinwies, dass wir keine getrockneten Früchte, sondern frische Lebensmittel brauchten. Man sah dem Wirt an, dass ihm gerade ein Licht aufgegangen war. Es fand abermals eine kurze Diskussion statt, wonach der Wirt die örtlichen Zusammenhänge ganz einfach und einleuchtend erklärte: »Mercado municepal – fruits, Pingo Doce – food.« Dabei nahm er seine Hände zu Hilfe, presste die Handflächen zusammen und richtete sie nach links, als er die Bestimmung des Mercados erläuterte – es waren Früchte. Bei der Beschreibung der Aufgaben von Pingo Doce bewegte er die Hände nach rechts, um zu verdeutlichen, dass es zwei verschiedene Paar Schuhe waren, – dort konnte man etwas zu Essen kaufen. Pingo Doce … Pingo Doce? Ich glaubte so einen Schriftzug schon an irgendeiner Kreuzung auf einem Wegweiser oder auf einer Werbetafel gesehen zu haben. »How can we get to Pingo Doce?«, fragte ich geradewegs, wie man zu dem Laden kam. »You go to sea … you go left … last street«, glänzte nunmehr auch der zweite Mann an der Theke mit seinen Englischkenntnissen. Es war nicht schwer: Richtung Meer, dann nach links und bis zum Ende der Straße. »To harbour … left!«, bestätigte der Wirt die Angaben. »You see hotel … you see Pingo Doce.« Es hörte sich ganz einfach an! Wir mussten wieder zur Uferpromenade und dort links abbiegen. Im Hafen, wo auch immer er lag, gab es ein Hotel, neben dem sich auch der Supermarkt befand, so beteuerten es die drei Männer. Ich bedankte mich für die aufschlussreiche Information und wir ließen die Männer endlich wieder in Ruhe, damit sie ihr Gespräch fortsetzten konnten, das sie geführt hatten, bevor wir es unterbrachen. Wir verabschiedeten uns, nachdem wir unser Bier zu Ende getrunken hatten, gingen zur Tür hinaus und fanden uns in der schnurgeraden Gasse wieder, über die wir bis zur Promenade laufen konnten.
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![]() Außergewöhnlich geschmückte Bäume an der Kirche in Ribeira Brave Ich folgte strikt der Wegbeschreibung der Portugiesen aus der Kneipe und hielt Ausschau nach dem Hafen oder nach etwas, was ihm ähnlich sah – ein paar Boote oder einen Fischkutter, die an einem Anleger festgemacht waren, hätte ich da als Minimum erwartet. Aber nichts Derartiges bot sich unserem Blick, als wir an der Uferpromenade entlangflanierten. Die Uferstraße endete vorn an einer Felswand. Oder doch nicht? Ja, ja! Da war etwas auf der anderen Seite des Verkehrskreisels, in den die Straße vor dem ins Meer hinausragenden Felsen mündete. Eine Tunneleinfahrt! Es war ein kurzer, aber ein breiter Tunnel, ein Laster hätte dort hindurchgepasst. Die Straße führte durch den Tunnel auf die andere Seite des Felsens, ich hatte es nur nicht sofort bemerkt. Für den Verkehr war der Tunnel gesperrt, aber zahlreiche Touristen frequentierten den Durchbruch. Es war der Hafen, der sich hinter dem Felsen verbarg. Eine kleine Bucht öffnete sich unseren Blicken, als wir aus dem Tunnel hinauskamen. Hier gab es alles, was ich zuvor gesucht hatte: den Anleger, den Kutter und die Bote. Das Einzige, was fehlte, war der Supermarkt! Das Hotel, das als Orientierungshilfe dienen sollte, hätte hier auch keinen Platz gefunden. Es war wirklich ein kleiner Hafen, wo es vielleicht insgesamt nur zehn Liegeplätze gab. Der Fischkutter, der am Kai lag, beanspruchte schon drei davon. Zwei Männer in Arbeitskleidung, luden irgendwelche Kisten vom Schiff ab, aus denen eine undefinierbare Flüssigkeit auf den Boden tropfte. Es roch streng nach Fisch. Wo war denn bloß dieser verdammte Supermarkt? Ich fragte mich, was wir an der Wegbeschreibung falsch verstanden hatten, während wir zum Kreisel zurückkehrten, als ich plötzlich wie angewurzelt stehen blieb. Rechts vom Kreisel stand ein mehrstöckiges Gebäude mit der Aufschrift »Hotel Bravamar«! Wie konnten wir es übersehen haben? Vielleicht hätte man auf dem Hinweg nicht nur in Richtung Meer gucken sollen, sondern auch auf die andere Straßenseite. Die Portugiesen hatten recht gehabt: Hier war das Hotel und hier war der Hafen! Und wo war der Supermarkt? Das erschloss sich uns, als wir ein Stückchen auf der Straße spazieren gingen, die rechts vom Kreisel stadteinwärts abging. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah ich im Erdgeschoss des Gebäudes, in dem sich das Hotel befand, ein Schild an der Wand, auf dem blau auf weiß in Großbuchstaben die Aufschrift »CENTRO COMERCIAL« stand. Diese Bezeichnung konnte in Portugal aber alles Mögliche bedeuten, überlegte ich, als ich an einem Mast am Straßenrand auch ein Schildchen mit dem schwarzgrünen Logo von Pingo Doce entdeckte. Große Freude – wir hatten es gefunden!
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KurzinhaltEin Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.Über den Autor
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