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Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 11

Der Shop gehörte zu einer kleinen Rastanlage am Pass. Etwas abseits fand man einige fest installierte Tische mit Bänken zum Sitzen. Hinter dem Häuschen ließ sich eine kleine Anhöhe erkennen. Der längliche Hügel zog sich vom Felsdurchbruch bis hierhin und flachte im weiteren Verlauf ab, um am Anfang des Anstiegs zu der Hochebene Paul da Serra ganz zu verschwinden. Es war die Grenze zwischen Nord und Süd, es war der Mittelgrat der Insel. Ging man auf den Rücken des Hügels, konnte man auf der Südseite den Berghof sehen. Ein Trampelpfad, bedeckt mit einer dicken Schicht rötlichen Staubs, führte auf der anderen Seite des Hügels nach unten. Wir nahmen diese Abkürzung, um nicht zurück zum Durchbruch laufen zu müssen, und wurden dafür belohnt.

»Guck mal«, rief Angelina voller Begeisterung, »das ist doch eine Levada!«

Es war ohne Zweifel eine Levada, zumindest sah eine Levada in meiner Vorstellung so aus. Schon vor Jahren hatte mir ein Bekannter mit höchstem Lob etwas über Levadawanderungen auf Madeira erzählt. Er hatte die künstlichen Wasserläufe genau so beschrieben wie das, was wir vor uns hatten. Die betonierte Rinne war an dieser Stelle gut zwei Meter breit, ans Überspringen war kaum zu denken.

»Der Pfad ist auf der anderen Seite. Komm, gehen wir zu der Brücke da«, schlug ich vor und deutete auf einen Steg, der über den Wasserkanal führte.

»Ja, machen wir eine Levadawanderung!«, freute sich meine Frau auf die bevorstehende Entdeckungstour.

»Nein, wir gehen jetzt mal ein Stück an der Levada spazieren. Für Wanderungen haben wir heute keine Zeit«, unterbrach ich sie, um ihre Erwartungen etwas zu dämmen.

»Gut. Aber morgen! Morgen machen wir eine Levadawanderung. Ja?«, fragte sie weinerlich und küsste mich auf die Wange.

»Von mir aus«, erwiderte ich und legte meinen Arm um sie.

Wir wanderten eine Weile einen breiten Pfad entlang, mitten in der üppigen Vegetation, zwischen seltsamen Pflanzen und exotischen Baumarten, die ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Der Pfad neben der Levada wurde allmählich immer schmaler. Letztendlich war er fast schon ganz verschwunden, als die Betonschulter der Rinne seine Aufgaben übernahm und zu einem Gehweg wurde, wo zwei Wanderer nicht mehr aneinander vorbeigehen konnten. Nach fünfzehn Minuten erreichten wir einen Tunneleingang, an dem sich zwei Wasserläufe zu einem vereinten: Der eine kam aus dem Tunnel von der Nordseite und der andere hatte seinen Ursprung irgendwo am steilen Hang über unserem Hotel.

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Madreira: Levada Do Norte
Madreira: Levada Do Norte

»Oh, ja! Ein Tunnel!«, freute sich Geli schon auf die morgige Wanderung und machte einige Schritte in den Tunnel hinein.

Aus der Öffnung im Fels wehte ein recht kühler Luftstrom und im Inneren war es schon nach einigen Metern absolut dunkel, nur ein heller Punkt von der Größe eines Stecknadelkopfs markierte den Ausgang am anderen Ende des unterirdischen Ganges.

»Für einen Tunnelspaziergang sind wir aber falsch ausgestattet«, meinte ich.

»Nein, das machen wir morgen. Ich habe auch eine Taschenlampe auf dem Zimmer!«, bemerkte sie stolz. »Ich habe mich gut vorbereitet!«

Wir nahmen den überirdischen Abzweig und wanderten noch etwas weiter, bis wir an einer breiteren Stelle einen Tisch mit zwei Bänken entdeckten – einen guten Platz für Levadawanderer, um eine Rast einzulegen. Ein zutrauliches Vögelchen kam von seinem Baum herunter, nachdem wir Platz genommen hatten, um sich mit seiner Flugakrobatik noch etwas Futter für den Abendschmaus zu verdienen. Geli pflückte ein paar Beeren von einem Strauch neben der Wasserrinne und streckte ihre offene Hand aus. Der Vogel bediente sich gerne, ohne jede Spur von Scheu. Er unterhielt uns mit seinen Zirkuseinlagen, als ich merkte, dass die Sonne sich für heute schon verabschiedet hatte und bis Morgen hinter dem Berg verschwunden war. Es war Zeit für den Rückweg.

»Wir sollten jetzt so langsam zurückgehen, um noch vor dem Abendessen im Hotel zu sein«, verkündete ich meine aktuellen Absichten.

»Okay. Morgen gehen wir aber durch den Tunnel!« Angelina ließ keine Zweifel an ihrem Vorhaben aufkommen.

»Jaja … Wir müssen aber ziemlich früh los. Wer weiß, wie weit und wie lange die Wanderung geht. Ich muss heute noch eine aussagefähige Karte finden. Verstehst du? Ich wandere gerne mit Karte.«

Wir machten uns auf den Rückweg, nachdem wir die bereits vertraute Marschformation auf der Levadaschulter gebildet hatten: Ich vorne, Angelina hinter mir. Da wir recht zügig zurück zum Pass gewandert waren, legten wir noch einen Stopp am Berghof ein und standen eine Weile vor dem Abgrund am Geländer des Parkplatzes. Die letzten Sonnenstrahlen vergoldeten die Spitze des Pico Grande, der über dem Tal ruhte. Sie weckten die Hoffnung auf gutes und sonniges Wetter für die bevorstehende Levadawanderung. Ein Hahn auf dem Hof krähte laut und deutlich den Zapfenstreich für seinen Hühnerhaufen und verstummte bis zum Morgengrauen. Wir machten uns auf den Weg nach unten.

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Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.965
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

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