Logo Leseecke
OPEN DIGITAL LITERATURE PROJECT
Das Geheimnis des vernebelten Passes: Seite 10

»Stimmt!«

»Ich habe mit einem Holländer gesprochen, wie sie hergekommen sind und was sie vorhaben.«

»Und?«

»So wie ich es verstanden habe, ist es irgendein Reisebüro, das einen kompletten Wanderurlaub anbietet. ›Organisatie‹, wie er sagte«, versuchte sich meine Frau im niederländischen Akzent. »Man bucht den Urlaub und wandert zehn Tage in einer Gruppe mit Wanderführer. Und die ›Organisatie‹ bringt das Gepäck von Hotel zu Hotel. So was würde ich auch gerne machen!«

Jetzt wurde mir einiges klar: das leere Hotel am Vormittag, der Kofferberg am Diensteingang, der merkwürdige Empfang an der Rezeption – man hatte heute Morgen nicht unbedingt mit zwei Individualtouristen gerechnet, die sich so weit nach oben verirrt hatten!

An der Stelle, wo die Passstraße knapp unterhalb unseres Ziels ihren vorletzten Knick machte, bemerkte ich schon aus einiger Entfernung vermutlich das, wonach wir Ausschau hielten. Meine Vermutung bestätigte sich, nachdem wir die Kehre erreicht hatten. Rechts ging von der Hauptstraße ein breiter Schotterweg ab, der sich nach ein paar hundert Metern im Gebüsch verlor. Viel wichtiger war aber das, was an dieser Kreuzung stand, nämlich Verkehrsschilder mit abgebildeten Wanderern, Entfernungsangaben und Wanderzielen, deren Namen mir unbekannt waren, – alles deutete darauf hin, dass wir hier richtig waren.

»Wenn das keine Wanderroute ist …! Guck, da steht sogar die Nummer der Tour drauf«, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf den gelben Schriftzug »PR 12« im roten Rechteck. »Dreizehn Kilometer durch die Berge ist natürlich eine ganze Menge! Aber bitte! Da sind deine Wanderwege!«

»Da müssen wir unbedingt langgehen!«, meinte Angelina mit vollem Ernst und machte schon die ersten Schritte, um von der Straße abzubiegen.

»Willst du mich ärgern?«, fragte ich etwas genervt, da mir die zwanghafte Wanderlust meiner Frau ein bisschen auf den Geist ging. »Wir können jetzt nicht einfach nach … keine Ahnung, wohin gehen! Wir wissen nicht einmal, wohin der Weg führt. Es ist schon fünf Uhr, in ein paar Stunden geht die Sonne unter.«

Nach der letzten Kehre wurde die Straße flacher. Wir näherten uns dem Bergscheitel. Schon von Weitem sah man auf der rechten Seite der Straße ein weißangestrichenes Haus stehen, einen Berghof, der zur Fahrbahn hin eine Snackbar für Durchreisende hatte. Davor befand sich ein Parkplatz mit fünf, sechs eingezeichneten Stellplätzen, die zurzeit aber ungenutzt blieben. Wir stellten uns ans Geländer und schauten in die Schlucht. Was für eine Aussicht! Man stand am Rand eines riesigen Talkessels und blickte nach unten in die schwindelerregende Tiefe, sodass es einem den Atem raubte. Man glaubte, man hätte fliegen können, wenn nur die Füße irgendwie vom Boden zu bekommen gewesen wären. Ich stellte mich in einem Wunderland vor, wo alles plötzlich auf die Größe einer Schachtel Streichhölzer geschrumpft gewesen war. Es bot sich eine tiefe Einsicht in die Schlucht am anderen Ende des Kessels, die nach Ribeira Brava unten an der Küste führte, und hinter den Bergen sah man den endlosen Atlantik, der am Horizont mit dem Himmel verschmolz.

(?)
Leseecke Schließen
Lesezeichen setzen
 
Wegweiser zum Königspfad
Wegweiser zum Königspfad

Ich war wieder fit und munter! Angelina war es sowieso. Der Aufstieg hatte meinen Erkundungsgeist geweckt, wir gingen durch die Bresche in der Felswand, ein Nadelöhr, das den Süden und den Norden der Insel verband und einst von Menschenhand durchbrochen worden war. Auf der Nordseite entdeckten wir gleich zwei Hinweisschilder, die jeweils den Anfang einer Wanderroute markierten. Meine Frau strahlte vor Glück.

»Ja! Ja! Ja! Du musst mir aber versprechen, dass wir jede Tour hier machen.«

»Klar, sicher!«, meinte ich. »Was glaubst du denn, warum ich mit dir auf diese Insel gekommen bin? Aber nicht heute, bestimmt nicht heute!«

Ich sah mich um.

»Lass uns mal zu der Bude rübergehen!«, schlug ich vor, nachdem ich in einiger Entfernung entweder einen Souvenirshop, ein Imbisslokal oder beides unter einem Dach bemerkt hatte.

Es war nicht allzu weit bis zum Laden, wir gingen hin, zumal das Ziel unseres Ausfluges genau das beinhaltete, die Umgebung zu erkunden.

»Alles ist geschlossen«, äußerte Angelina ihr Bedauern, nachdem sie sich vor dem improvisierten Einkaufszentrum auf dem Berg umgesehen hatte. »Warum?«

Sie war etwas enttäuscht, da sie einen Shop entdeckt hatte, wo hinter der verschlossenen Tür einige Strickjacken aus grober, dicker portugiesischer Wolle zu sehen waren, die sie schon seit unserer Portugalreise haben wollte.

»Nicht am Montag, bestimmt nicht am Montag!«, schätzte ich unsere Aussichten auf Erfolg ein.

Heute war hier voraussichtlich nichts mehr zu erwarten: Es sah nicht danach aus, dass der Laden nur vorübergehend geschlossen war. Gut verriegelte Türen und fehlende Lebenszeichen hinter den Schaufenstern ließen eher vermuten, dass sich hier vor morgen Früh nicht das Geringste gerührt hätte. Ob es am heutigen Wochentag oder an der späten Stunde lag, darauf hatte ich keine Antwort. Es gab aber auch sonst kaum Verkehr. Den Parkplatz auf der anderen Straßenseite beanspruchte nur ein einziges Auto für sich allein. Es war abgeschlossen. Wo die Ausflügler ihre Zeit verbrachten, war ungewiss.

| Seite 10 von 145 |

Günstige Downloads für Ihr Gerät

Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
PDF Dokument: Format A5, 340 Seiten, Dateigröße 2.461 KB, Ausgeführte Dowloads 54, PDF-Reader zum Lesen erforderlich! Auch zum Lesen im Ebook-Reader geeignet
6,99 € N/A
Das Geheimnis des vernebelten Passes
EPUB
Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
E-Book im ePub-Format: Anzahl Seiten deviceabhängig, Dateigröße 1.033 KB, deviceübergreifend optimiert, Ausgeführte Dowloads 41, e-Book Reader zum Lesen erforderlich!
6,99 € »Epubli Verlag
Das Geheimnis des vernebelten Passes Titel: Das Geheimnis des vernebelten Passes
Jetzt eine Printausgabe bestellen! Sie werden gleich auf die Seite des Verlages weitergeleitet, wo Sie Ihr Exemplar bequem erwerben können.
15,99 € »Epubli Verlag

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Das Geheimnis des vernebelten Passes von Nikolaus Warkentin

Kurzinhalt

Ein Ehepaar macht Urlaub auf der Insel Madeira, bewandert Bergpfade und Levadas, macht Ausflüge zu den lokalen Sehenswürdigkeiten und besucht zahlreiche Orte. Als Ausgangspunkt für die Entdeckungstouren dient das Berghotel "Encumeada" am gleichnamigen Pass an der Wetterscheide in der Mitte der Insel. Oft wolkenverhangen und in Nebelschleier gehüllt, birgt der Bergpass, wie es scheint, ein Geheimnis, das vor allem dem Ehemann keine Ruhe lässt. Es passieren merkwürdige Dinge, die ihn an seinem Verstand zweifeln lassen. Mysteriöse Visionen aus einer parallelen Wirklichkeit plagen ihn. Sie werden auf eine geheimnisvolle Art immer dann ausgelöst, wenn er sich in der näheren Umgebung des vernebelten Passes befindet. Ungeahnte Fähigkeiten und über die menschliche Geisteskraft hinausgehende Erkenntnisse werden ihm zuteil. Seine Hoffnungen, dass die seltsamen Ereignisse mit der Abreise von der Insel ihr Ende haben werden, erfüllen sich nicht. Die Parallelwelt holt ihn während des Heimfluges ein. Der Handlung im Roman liegen wahre Erlebnisse während eines Urlaubs zugrunde, den der Autor zwischen dem 14. und dem 30. Juli 2014 auf der Insel Madeira verbracht hat. Mit ein wenig Fantasie entstand aus dem Reisebericht eine spannende Geschichte.
Nikolaus Warkentin

Über den Autor

Name: Nikolaus Warkentin
Geboren: 1962
Hauptberuf: Unternehmer
Hobby: Reisen
Veröffentlichungen: 3
Reiseroman: 1
Novelle: 1
Roman: 1
Kontakt: » E-Mail Nachricht
Statistiken

Zahlen & Daten zum Werk

Aufrufe: 11.965
Online Seiten: 145
PDF Downloads: 54
PDF Seiten: 340
EPUB Downloads: 41
EPUB Seiten: deviceabhängig
Druckzeichen: 665482
Druckwörter: 122463
Buchseiten: 504
Erschienen: January 2021

Ihre Spende ist willkommen!

Wir stellen Ihnen gerne alle Inhalte unserer Webseite kostenlos zur Verfügung. Sie können die Werke auch in der E-Book-Version jederzeit herunterladen und auf Ihren Geräten speichern. Gefallen Ihnen die Beiträge? Sie können sie alle auch weiterhin ohne Einschränkungen lesen, aber wir hätten auch nicht das Geringste dagegen, wenn Sie sich bei den Autoren und Autorinnen mit einer kleinen Zuwendung bedanken möchten. Rufen Sie ein Werk des Autors auf, an den Sie die Zuwendung senden wollen, damit Ihre Großzügigkeit ihm zugutekommt.
Tragen Sie einfach den gewünschten Betrag ein und drücken Sie auf "jetzt spenden". Sie werden anschließend auf die Seite von PayPal weitergeleitet, wo Sie das Geld an uns senden können. Vielen herzlichen Dank!

Diese Seite weiterempfehlen

»Link an Freunde senden
Kreisende Punkte
Leseecke Schließen